Peanuts: Eine liebenswerte Bande
Der ewige Pechvogel Charlie Brown, die kratzbürstige Lucy und ein philosophierender Hund: Die Peanuts werden 60.
Charlie Brown erinnerte immer schon eher an einen älteren Herrn als an ein Kind: kahlköpfig und ernst statt kindlich und fröhlich. Eine etwas unglückliche Figur - vielleicht gerade deshalb ein absoluter Sympathieträger.
Seit 60 Jahren begeistern Charlie Brown und seine Freunde die Comic-Welt. Die Peanuts sind ins Seniorenalter gekommen. Genau genommen werden sie dieses Jahr sogar schon 63. Denn bereits 1947 veröffentlichte ihr Erfinder Charles M. Schulz einen Vorläufer - Szenen mit dem Titel "Li’l Folks" (Kleine Leute) - unter seinem Spitznamen Sparky. "Da kommt der gute alte Charlie Brown - wie ich ihn hasse", lautete die Sprechblase eines Jungen in der allerersten Szene.
Am 2. Oktober 1950 schlägt die eigentliche Geburtsstunde, als erstmals Comics unter dem Namen "Peanuts" in sieben US-amerikanischen Tageszeitungen erscheinen. 17897 Comicstrips und etliche Zeichentrick-Serien später gehören die Peanuts zu den erfolgreichsten Comic-Figuren der Welt. Sie finden sich als Stofffiguren, auf Zahnbürsten, Heften und in einem eigenen Museum in den USA.
Sie faszinieren, weil sie authentisch sind, sagt Autor Andreas Knigge, der zum Jubiläum ein Buch über das Phänomen geschrieben hat. "Die Figuren spiegeln Alltagssituationen der Erwachsenenwelt und menschliche Charaktereigenschaften aus einem kindlichen Blickwinkel."
Da ist der gutmütige Pechvogel Charlie Brown. Und sein Hund Snoopy, der zwar nicht sprechen, dafür aber denken kann und meist rücklings auf seiner Hundehütte liegt, um zu philosophieren. Da ist die kratzbürstige Lucy, die Charlie Brown stets psychologische Ratschläge erteilt und ihn dann ständig selbst ärgert. Oder Linus, Freund tiefschürfender Gespräche - und seiner Schmusedecke.
In den Geschichten der amerikanischen Vorstadtkinder verarbeitet Schulz seine eigene, wie er selbst sagte, unglückliche Kindheit - und seine Selbstzweifel. Nicht ohne einen Anflug von Zynismus und Ironie: Nannte er sein Comic-Werk doch "Peanuts", was im Englischen umgangssprachlich so viel wie "Kleinigkeiten" bedeutet.
"Charlie Brown ist Schulz’ Alter Ego. Er glaubt an das Gute im Menschen, obwohl er in der Realität wieder und wieder enttäuscht wird", sagt Knigge.
Doch Schulz wollte mit der Charlie-Brown-Figur kein Mitleid erregen. Er wollte vielmehr Mut machen. Wenn Lucy Charlie in einer der wohl berühmtesten Peanuts-Szenen immer wieder den Football vor der Nase wegschnappt, rappelt sich Charlie Brown vom Boden auf und lässt sich sein Vertrauen in seine Mit-Figuren nicht nehmen.
"In einem Zeitungsartikel wurde Charlie Brown einmal als Loser (Verlierer) bezeichnet", sagte Schulz kurz vor seinem Tod im Jahr 2000 in einem Interview. "Das hat mich überrascht, denn so habe ich ihn nie gesehen. Ein Loser gibt irgendwann auf."
Was wir von Charlie Brown lernen können, ist seine Art, mit den Grausamkeiten des Lebens umzugehen, sich nicht vom Schicksal unterkriegen zu lassen. Dafür haben wir ihn ins Herz geschlossen. Knigge: "In meiner Lieblings-Szene zeigt Charlie Brown Patty stolz seine neue Uhr. ,Geht die denn auch?’, fragt Patty. ,Nicht wirklich’, sagt Charlie Brown. ,Die Zeiger stehen immer auf halb drei. Aber um halb drei ist sie so gut wie jede andere Uhr auf der Welt.’"
Die Peanuts sind ein Ausnahmewerk - auch künstlerisch, wie Knigge erklärt: "Auf den ersten Blick sind die Comic-Figuren unglaublich simpel, bestehen aus Punkten und Strichen. Und doch kann man jeder Figur Emotionen am Gesicht ablesen."
Auch hinter dem Zeichenstil stecken autobiografische Elemente. "Als Kind dachte Schulz, dass er ein völlig belangloses Gesicht habe. Er war überrascht, wenn ihn jemand auf der Straße erkannte. Das spiegeln seine Figuren wider", so Knigge.
"Es hat mich viel Zeit gekostet, zu einem menschlichen Wesen zu werden", sagte Charles M. Schulz einmal. Die Peanuts waren ein großer Schritt in diese Richtung.