Pistorius: Ein Ende ganz ohne Tränen
Er war ein Superstar. Dann tötete er seine Freundin. Oscar Pistorius‘ Strafe: Fünf Jahre Haft. Nach zehn Monaten kann er wieder draußen sein.
Pretoria. Am Morgen noch im eleganten dunklen Anzug. Am Nachmittag in der orangen Kluft des Strafvollzugs. 20 Monate, nachdem Oscar Pistorius seine Freundin Reeva Steenkamp erschoss, geht am Dienstag alles recht schnell. Fünf Jahre Haft wegen fahrlässiger Tötung, so das Urteil von Richterin Thokozile Masipa. Sie ist kaum mit der Verkündung fertig, als der berühmteste Behindertensportler der Welt und mehrfache Paralympics-Sieger abgeführt wird.
Keine Träne. Wie oft hat dieser Mann vor Gericht geweint, wenn die Sprache auf jene furchtbare Nacht zum Valentinstag des Jahres 2013 kam. Vier Schüsse aus einer großkalibrigen Pistole gab „Oscar Superstar“ damals auf die geschlossene Toilettentür seines Hauses ab. Jene Tür, hinter der er nach eigener Aussage einen Einbrecher vermutete, aber nicht seine 29-jährige Freundin.
Es sei „grob fahrlässig“ gewesen, auf diese Tür zu feuern, sagt die Richterin. Pistorius habe den Tod eines Menschen leichtfertig in Kauf genommen. „Hausarrest wäre nicht angemessen“, betont Masipa. „Nichts, was ich heute sage, kann die Ereignisse ungeschehen machen“, erklärt die Richterin. „Aber ich hoffe, dass es beiträgt, nun Abstand zu gewinnen.“ Das wäre nur gut für dieses Land, das manche langfristigen Folgen der Apartheid bis heute nicht vollständig überwunden hat.
So werden immer noch Hausbesitzer — meist Weiße — frei gesprochen oder nur geringfügig bestraft, wenn sie auf Einbrecher — oft Schwarze — schießen. Jeder im Saal versteht, warum Masipa betont: „Es wäre ein trauriger Tag, wenn der Eindruck entstünde, dass es ein Gesetz für die Armen und eines für die Reichen und Berühmten gibt.“
Pistorius Verteidigung soll ihn umgerechnet rund 6000 Euro pro Tag gekostet haben. „Er hat alles verloren“, hatte sein Anwalt Barry Roux erklärt. Ein solcher Mann gehöre nicht ins Gefängnis, sondern dürfe höchstens Hausarrest bekommen.
Fünf Jahre Haft erscheinen verglichen damit wie ein hartes Urteil. Doch genau betrachtet ist Pistorius vom Hausarrest wohl nicht allzu weit entfernt. Schon nach Verbüßung eines Sechstels der Strafe könne er beantragen, den Rest in Hausarrest umzuwandeln, erklärt der Sprecher des Strafvollzugs, Mthunzi Mhaga. Nach zehn Monaten also könnte Pistorius zurückkehren in die Villa seines Onkels. Die Familie akzeptiere das Urteil.
Auf der Straße protestieren viele gegen das aus ihrer Sicht zu milde Strafmaß, während Pistorius in einem vergitterten Gefangenentransporter das Gericht verlässt. Er wird ins Zentralgefängnis von Pretoria gebracht. Ein lautstarker Protest-Wortführer ist Aktivist Golden Miles Bhudu, der Pistorius‘ Reue für geheuchelt hält. „Dieser Mann weint wie ein Baby und er kreischt wie eine Frau, aber er schießt wie ein Soldat“, sagt er und rasselt mit Ketten, in die Pistorius seiner Meinung nach gehört.
Die Nationale Strafverfolgungsbehörde will nun prüfen, ob sie nicht doch eine Verurteilung wegen Mordes anstrebt. Die Familie von Reeva Steenkamp aber gibt sich zufrieden. Ihre Mutter June sagt Reportern: „Der Gerechtigkeit wurde genüge getan.“ Richterin Masipa wird das gern vernommen haben. „Beim Gericht“, hatte sie erklärt, „kann es nicht darum gehen, einen Beliebtheitswettbewerb zu gewinnen, sondern es geht darum, für Gerechtigkeit zu sorgen.“