Pläne für Londonds Flughafen: Schöner Abheben in Heathrow

Der Airport in Englands Metropole ist zu klein. Über seine Zukunft wird derzeit heftig debattiert: Plattwalzen und neu bauen oder umziehen?

London. Hier hat (fast) jeder schon mal einen Koffer verloren, geflucht, gewartet, übernachtet: Heathrow Airport ist weltberühmt für seine Mängel und Probleme.

Der ächzende Gigant platzt aus allen Nähten. Die Misere soll sich nun bessern. Bis Jahresende will eine Kommission entscheiden, ob Bulldozer den größten Flughafen Europas plattmachen oder ob er noch mehr Stadtgebiet fressen und weiter wachsen darf.

Es ist die Stunde für Londoner mit ganz großen Visionen: Jährlich 70 Millionen Passagiere und 1,5 Millionen Kubiktonnen Fracht sollen effizienter und besser ihren Weg durch Heathrow zurücklegen. Zum Glück besitzt die Stadt genügend Exzentriker, die sich spielend in solchen Dimensionen bewegen.

Bürgermeister Boris Johnson etwa, so klug wie klamauk-verliebt, würde den Flughafen am liebsten an den Ostrand der Insel, auf die Isle of Grain in der Themse-Mündung, umsiedeln. Oder Architekt Norman Foster, der dem visionären Stadtpolitiker das Konzept zum Luftschloss liefert.

Ginge es nach den beiden, dann bekommt London im Jahr 2029 den modernsten und größten Flughafen der Welt. Für rund 30 Milliarden Euro soll am Rande zur Nordsee ein Drehkreuz mit vier Startbahnen entstehen — doppelt so viele wie Heathrow zurzeit hat.

Weil es an der Ostküste liegt und die Flieger London so nicht lärmend queren, könnte der Betrieb sogar rund um die Uhr laufen. Hochgeschwindigkeitszüge sollen den neuen Bau auf der Halbinsel in Kent zudem mit anderen großen Städten auf der Insel verbinden.

Und Heathrow? Der überlastete Riese im Londoner Südwesten müsste nach dem Plan des Bürgermeisters Boris Johnson 80 000 neuen Wohnhäusern weichen — Platz, der in der boomenden Hauptstadt höchst willkommen wäre.

Lärmfreiheit ist für viele Londoner allerdings das Verlockendste am liebevoll-spöttisch getauften „Boris Island Airport“. Ohne Heathrow würde es endlich stiller werden in der Stadt. 700 000 Menschen leiden unter dem Krach von Heathrow — ein Drittel aller Fluglärm-Geplagten Europas.

Der Flughafen Heathrow will sich verständlicherweise nicht einfach so plattwalzen lassen. Die Entscheider haben der „Davies Kommission“, die bis Jahresende eine vorläufige und bis Sommer 2014 eine definitive Empfehlung zum Kapazitätenproblem geben soll, derweil einen Gegenentwurf unterbreitet.

Demnach sollen eine zusätzliche Landebahn und ein Extra-Terminal ausreichen, um die bis 2030 kräftig steigende Nachfrage von Passagieren zu decken. In einer Umfrage bekommen sie auch Unterstützung von ansässigen Firmen: 77 Unternehmen drohen, den möglichen Umzug gen Ostküste zu boykottieren.