Unterlassene Hilfeleistung Polizei hat Namen der Kunden, die über hilflosen Mann hinwegschritten
Essen (dpa) - Nach der unterlassenen Hilfeleistung bei einem zusammengebrochenen alten Mann in einer Essener Bankfiliale hat die Polizei Name und Anschrift der in Frage kommenden Bankkunden erhalten.
Das Kreditinstitut habe eine Liste derjenigen erstellt, mit deren Karten im betreffenden Zeitraum Geldgeschäfte erledigt wurden, sagte Polizeisprecher Christoph Wickhorst. Die Ermittler gehen davon aus, dass alle auf dem Video zu sehenden Personen - Männer und Frauen - mit ihren eigenen Karten am Geldautomaten waren. Die vier werden angeschrieben und zu einer Vernehmung geladen.
Der 82 Jahre alte Mann war am 3. Oktober in Essen im Vorraum einer Bank zusammengebrochen. Eine Videoaufnahme zeigt, wie sich anschließend vier Kunden nicht um ihn kümmerten und auch keine Hilfe riefen. Erst der fünfte Kunde alarmierte 20 Minuten nach dem Zusammenbruch den Rettungsdienst. Der Mann kam nicht wieder zu Bewusstsein und starb einige Tage später. Die Polizei ermittelt wegen unterlassener Hilfeleistung gegen die vier auf dem Video zu sehenden Menschen.
Bei ihnen handele es sich um erwachsene Männer und Frauen. Darunter seien augenscheinlich junge Erwachsene Anfang 30 aber auch ein Kunde, der etwa 60 Jahre alt sei, sagte der Sprecher. Bis Montagnachmittag hatte sich nach seinen Angaben noch niemand von sich aus bei der Polizei gemeldet.
Der Sprecher wollte nicht ausschließen, dass auch noch gegen weitere Menschen ermittelt wird. Nachdem der fünfte Kunde den Rettungsdienst verständigt hatte, hatten sie den Vorraum betreten und sich dem Überwachungsvideo zufolge ebenfalls nicht um den hilflosen Mann gekümmert.
Es ist allerdings unklar, ob sie in dem Moment bereits wussten, dass der Rettungsdienst schon verständigt war. Dann sei ihr Handeln straffrei, sagte der Sprecher. Um wie viele Personen es sich handelt, wurde nicht bekannt. Der Rettungsdienst war nach früheren Angaben bereits wenige Minuten nach dem Notruf vor Ort.
Der Bochumer Kriminologe Prof. Thomas Feltes bezeichnete die Vorkommnisse als „Bilderbuchfall von unterlassener Hilfeleistung“. „Für mich ist die Sachlage eindeutig: Ich habe entweder zu helfen oder die 110 oder 112 zu wählen“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Für ihn gebe es keine Rechtfertigung und auch keine Entschuldigung für dieses Verhalten. „Das Sich-Unsicher-Fühlen entbindet nicht von der Pflicht, etwas zu unternehmen.“