Porträt: Anne Will steht unter Druck

Sonntag kehrt die Moderatorin aus der Sommerpause zurück. Noch nie war die Konkurrenz zu ihrer Sendezeit so groß.

Berlin. Sie war als strahlende Hoffnung des deutschen Polit-Talks an den Start gegangen, doch zwei Jahre nach ihrem Debüt als Nachfolgerin von Sabine Christiansen sieht es für ARD-Moderatorin Anne Will ziemlich düster aus: Wenn die 43-Jährige am Sonntag um 21.45 Uhr mit ihrer Polit-Talkshow "Anne Will" aus der Sommerpause zurückkehrt, muss sie im Kampf um die Zuschauer gegen zwei neue Konkurrenten antreten: gegen die zeitgleichen Fußballsendungen mehrerer Dritter Programme und gegen den Polit-Talk "Ihre Wahl" mit Stefan Aust und - ausgerechnet - Sabine Christiansen. Die Sendung startet am 23. August auf Sat.1.

Als wäre dieser doppelte Angriff auf Wills Einschaltquoten nicht schlimm genug, hat die Journalistin auch noch ein hausinternes Prestige-Duell verloren: Nicht sie darf als Vertreterin der ARD das Rededuell von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und SPD-Herausforderer Frank-Walter Steinmeier moderieren, sondern ihr Talk-Rivale Frank Plasberg ("Hart aber fair").

Anne Will, die Verliererin der Saison? Um ihren Job muss sich die als Perfektionistin geltende Moderatorin sicher keine Sorgen machen, denn im Superwahljahr 2009 muss ihr Haussender politisch Flagge zeigen.

Wohl nicht zuletzt deshalb hat Will ihren Sendeplatz nach dem "Tatort" vorläufig behauptet, strahlt die ARD die zuschauerträchtigen Berichte über die Sonntagsspiele der Bundesliga in den Dritten und nicht im Ersten aus.

Noch stimmen zudem die Quoten: Mit durchschnittlich 3,6 Millionen Zuschauern war Anne Will 2008 die erfolgreichste TV-Talkerin. Doch was die wichtigen Marktanteile angeht, ist ihr die Konkurrenz auf den Fersen, denn da rangierte die Talklady mit 12,8 Prozent nur knapp vor ZDF-Konkurrentin Maybrit Illner (12,6) und Frank Plasberg (12,2).

Mau sieht es zudem bei den jüngeren Zuschauern aus, zuletzt schalteten durchschnittlich nur 720000 Zuschauer zwischen 14 und 49 Jahren ein.

Wie es ist, wenn einem die halbe Nation bei der Arbeit auf die Finger schaut, weiß Anne Will spätestens seit 1999: Damals durfte sie als erste Frau überhaupt die "Sportschau" präsentieren.

Zwei Jahre später übernahm sie den Topjob als Moderatorin der "Tagesthemen" und wurde zum Star - das ironische Hochziehen der Augenbrauen wurde ihr Markenzeichen.

Als Will dann im September 2007 Sabine Christiansen als ARD-Polittalkerin beerbte, begegnete sie dem hohen Erwartungsdruck mit Ironie: "Ich bin zuversichtlich, dass ich alle Erwartungen souverän unterlaufen werde."

Doch seitdem wird jeder ihrer Auftritte unerbittlich seziert, und der Sympathiebonus der Kölnerin erspart ihr Medienschelte wie "abgestandene Phrasen" oder "konfus" nicht.

Eine missverständliche Formulierung, als es in ihrer Sendung um die Höhe des Schuldenbergs der Stadt Berlin ging, löste zudem Entrüstung aus.

Zwar bestreitet niemand, dass Will stets gut vorbereitet ist und hartnäckig nachfragt, ihr schonungsloser Talk mit Kanzlerin Angela Merkel im März wurde gelobt.

Doch die Kritiker sind sich einig, dass die Journalistin das Heft oft nicht fest genug in der Hand hält. In einer Ausgabe ihrer Show übernahm CDU-Politiker Jürgen Rüttgers regelrecht die Leitung der Gesprächsrunde - dem durchsetzungsfreudigen Plasberg wäre das wohl nicht passiert.