Porträt: Das öffentliche Sterben einer Frau

Jade Goody wurde durch „Big Brother“ bekannt – dann bekam sie ihre Krebsdiagnose vor laufender Kamera. Der Britin bleiben nur noch Monate. Am Sonntag verdiente sie Millionen mit ihrer Hochzeit.

London. Nur die übelsten Zyniker behaupten, dass der Krebs Jade Goodys größter Karrieresprung war. Lange war die 27-Jährige vor allem als Big-Brother-Großmaul bekannt.

Doch seitdem klar ist, dass sie bald sterben wird, nimmt ganz England Anteil an ihrem Schicksal. Am Sonntag hat die Todgeweihte geheiratet - und so noch schnell eine Million verdient. "Vielleicht", sagt Goody, "sterbe ich auch vor den Kameras".

Makabrer Horror? Moralfreie Medien-Inszenierung? Oder ein trauriger Tod, der im Unterschied zu anderen öffentlich und lukrativ ist? Kaum ein Thema ist in letzter Zeit im Königreich so kontrovers diskutiert worden wie Jade Goody, die ihre letzten Tage vermarktet.

Die Zahnarzthelferin aus Essex wäre nie aus der Anonymität ihres Kleine-Leute-Alltags emporgekommen, wenn sie nicht den Machern der Big-Brother-Serie 2002 aufgefallen wäre. Jade war die klassische Vertreterin der englischen Unterschicht; sie teilte aus, war sich für nichts zu schade und versprach, Spannung in den Container zu bringen. Sie kannte keinen Spargel, hielt Rio de Janeiro für eine Person und war damit ein Quoten-Garant.

Im August vergangenen Jahres gab’s für die Zuschauer vom indischen Big Brother, bei dem Goody derweil als Gast eingezogen war, dann ein besonderes "Bonbon": Live auf Sendung erhielt die junge Mutter die Diagnose Gebärmutterhalskrebs. Kameras zoomten gnadenlos auf ihr verweintes Gesicht.

Doch jetzt, wo Jade Goodys Uhr tickt, wird sie zur kalkulierenden Verkäuferin. Ihren Weg bis zum bitteren Ende dokumentiert ein Fernsehsender, für die Fotorechte an ihrer Hochzeit soll sie 1,1 Millionen Euro erhalten haben. Paparazzi sind gegen Geld willkommen, ihren Verfall festzuhalten. So ist zuletzt kein Tag vergangen, an dem die Briten nicht gesehen hätten, wie Jades Haare langsam ausfallen, wie sie erst hofft, und schließlich erfährt, dass die Ärzte nichts mehr für sie tun können.

Die Hochzeit mit ihrem Freund Jack Tweed (21) ist vorläufiger Höhepunkt des Spektakels, danach scheidet nur der Tod Jade Goody und die Medien. Harrods-Besitzer Mohammed Al Fayed hat das Kleid gestiftet und der Justizminister die Ausgangssperre des Bräutigams für die Hochzeitsnacht ausgesetzt. Der muss nämlich eigentlich wegen eines Golfschläger-Angriffs elektronische Fußfesseln tragen und abends bei seiner Mutter einkehren.

Ihren Gang zum Traualtar absolvierte die 27-Jährige am Sonntag lächelnd und mit Perücke statt Schleier; ins Innere des Brautkleides hatte eine Schneiderin ihr einen Morphium-Beutel eingenäht. "Mir ist egal, was die Leute über mich denken", sagte Jade kürzlich. Ihr gehe es darum, so viel Geld wie möglich aus ihrem Todesurteil zu schlagen, um ihren beiden Söhnen (4 und 5) ein besseres Leben zu ermöglichen.

Der leibliche Vater ihrer beiden Söhne war am Sonntag als Hochzeitsgast verhindert - er präsentiert gerade eine andere Reality-TV-Show. Jade Goody dürfte indessen die erste Container-Bewohnerin sein, die es zur Millionärin gebracht hat. Und der Spott ist etwas Respekt gewichen: Aus dem Dummchen, schreiben die Boulevardblätter gönnerisch, sei eine Ikone im Kampf gegen den Krebs geworden.