Porträt: Wäre Helmut Schmidt 30 Jahre jünger . . .

. . . dann könnte er morgen wieder Kanzler sein. Die Fernsehnation entdeckt einen alten Staatsmann neu.

Hamburg. Der alte Mann denkt nach, zieht an seiner Zigarette, dann erst formuliert er langsam zwei, drei präzise Sätze, die mehr politische Analyse enthalten als eine Anderthalbstunden-Rede des SPD-Vorsitzenden und Vielleicht-Kanzlerkandidaten Kurt Beck. Es ist eine Wohltat, Helmut Schmidt zu erleben in dieser außergewöhnlichen Fernsehdokumentation, die Mittwochabend in der ARD ausgestrahlt wurde.

Vier Jahre lang hat Sandra Maischberger den inzwischen 88-Jährigen und seine beinahe gleichaltrige Frau Loki begleitet. Dabei hat es der Altkanzler der Journalistin nicht leicht gemacht. Wenn sie Fragen stellte, die ihm nicht passten, wurde er so einsilbig, dass es einem beim Zuschauen kalt den Rücken herunter lief. Doch Maischberger ließ sich nicht einschüchtern: Der Lohn war ein dichtes, intimes Porträt, das berührt, ohne betroffen zu machen.

Mit der 80er-Jahre-typischen, emotional triefenden Betroffenheits-Kultur wäre man bei Schmidt auch an der falschen Adresse. "War ich ein Optimist?", fragt sich der Altkanzler im Film irgendwann selbst und seine Frau. "Nein." Ein Pessimist? "Auch nicht." Sie seien beide Realisten gewesen, antwortet Loki. "Ja, so ist es richtig."

Loki Schmidt hat sich jedenfalls immer wieder für ihren Helmut entschieden. Nach Aussage von Theo Sommer von der "Zeit" ist es vor allem Loki zu verdanken, dass die Ehe 65 Jahre lang gehalten hat. Sommer kennt das Paar sehr gut und äußert sich im Film erfrischend deutlich: Schmidt sei "zu einhundert Prozent" ein Mann gewesen; Loki habe es "nicht leicht" gehabt.

Seine Ämter Helmut Heinrich Waldemar Schmidt (geb. 23. Dez. 1918) war von 1969 - 72 Verteidigungsminister, 1972 Wirtschaftsminister, 1972 - 1974 Finanzminister und zwei Wochen Außenminister. Von 1974 - 1982 war er Bundeskanzler.

Seine Quote Sandra Maischbergers 90-minütigen ARD-Film "Helmut Schmidt außer Dienst" sahen ab 22.45 Uhr 2,28 Millionen Zuschauer (Marktanteil: 16,2 Prozent).