Porzellan: Wunderschöne Wertanlagen

Porzellan steht bei jungen Leuten hoch im Kurs. Die Manufakturen blicken deshalb über den traditionellen Tellerrand. Eine Design-Schau.

Düsseldorf. Oma hat sie mit Liebe zubereitet, Mutti hat ihr zu Ehren die Terrine auf Hochglanz poliert, die Verwandtschaft löffelt die Suppe am Ende gemeinsam aus.

Wer nicht nur Feinschmecker, sondern auch romantisch veranlagt ist, denkt sich noch die passende Kulisse hinzu: einen schön gedeckten Tisch mit dampfendem Sauerbraten, beschwipstem Rotkohl und selbstgemachten Serviettenknödeln, mit Kindern, die fröhlich mit dem Besteck spielen, und Großvätern, die sich nach dem Hauptgang genüsslich die Zigarren anzünden. Das Sahnehäubchen folgt in Form eines Apfelkuchens — stilvoll auf feinstem Porzellan serviert, versteht sich.

So weit die Fantasie. Doch die Realität sieht oftmals anders aus. „Dass jemand ein Service für zwölf Personen kauft und zu Hause die große Tafel aufdeckt, kommt selten vor“, berichtet Simone Struve (Villeroy & Boch). Auch in der Porzellan-Branche ist der gesellschaftliche Wandel zu spüren. „Es gibt immer mehr Single-Haushalte. Große Familienfeste sind heute eher die Ausnahme.“ Für die Manufakturen ist das kein Grund zum Feiern, aber auch keiner um zu resignieren.

Die Porzellan-Hersteller reagieren auf ihre Weise. Nicht nur Villeroy & Boch hat die junge Zielgruppe entdeckt — sie soll beispielsweise bei Kindergeschirr zugreifen, auf das es eine Zwei-Jahre-Bruchgarantie gibt. Abgesehen davon geben in Mettlach „die Trend-Themen Fast und Finger Food, Kaffee, Tee und Pasta“ den Ton an. „Die Essgewohnheiten haben sich verändert“, erklärt Struve. „Darauf reagieren wir bei der Produktentwicklung.“ Denn die deutsche Tischkultur hat viele Facetten — dazu gehören Espressotasse, Pizzateller und Dipschale.

Keramikwaren sind im Wandel und ihre Produzenten dabei, sich neu zu erfinden. Sie blicken über den traditionellen Tellerrand, suchen das Besondere und arbeiten zunehmend mit Künstlern, Designern und Architekten zusammen. Auch die Königliche Porzellan-Manufaktur in Berlin (KPM) kämpft so um Kundschaft. Schließlich ist nicht jeder ein Bundespräsident und im Schloss Bellevue zu Hause: Wenn Joachim Gauck zum Staatsdinner bittet, speisen seine erlesenen Gäste von KPM-Ware.

Das gemeine Volk hingegen muss sich sein Geschirr schon selbst zusammenstellen. „Viele wollen weg vom Altbackenen, das sie von der Oma kennen“, hat Mangold festgestellt. In Berlin steht Schnörkelloses hoch im Kurs. Kein Wunder: Die Marke mit dem kobaltblauen Zepter ist bekannt für klassizistische, eher schlichte und gerade Formen. „Ganz in Weiß, ganz ohne Blumen und ganz modern“ — so hätten die KPM-Käufer von heute die Tischdekoration am liebsten.

Serien wie „Kurland“ (1790) und „Berlin“ (1996) sind deshalb Klassiker. Vor allem „Urbino“ (1931) ist wieder im Kommen. Trude Petri entwarf das Service, das sich an den Keramiktellern der oberitalienischen Renaissance orientiert. Ihr Design ist tatsächlich museumsreif: „Urbino“ ist im Pariser Louvre und im Museum of Modern Art in New York vertreten. Aktuell kooperieren die Berliner mit dem italienischen Modelabel Bottega Veneta und dem Luxussportwagenhersteller Bugatti.

Während KPM ohne Schnörkel überzeugen möchte, wird bei Villeroy & Boch tief in den Farbtopf gegriffen. Struve sieht es so: „Die Leute haben Lust auf Farbe auf dem Tisch.“ Ein Widerspruch? Nicht, wenn man die Trends auf einen gemeinsamen Nenner bringt: Das „weiße Gold“ ist wieder gefragt.

„Junge Leute finden Porzellan wieder cool“, bestätigt Claudia Uth von Augarten in Wien. Nach Jahren der Stagnation gehe man nun konsequent den Weg des zeitgenössischen Designs. Denn neue Produkte sollen „nicht bieder oder angestaubt daherkommen“. Immerhin sei Porzellan — neben Gold — nach wie vor eine der wichtigsten Wertanlagen.

Speziell Sammler sollen bei Augarten auf ihre Kosten kommen. Liebhabern kostbarer Tischaccessoires wird ein lebenslanges Nachkaufrecht garantiert. Die Palette reicht von der Schale für 20 Euro bis zur reich bemalten Bodenvase für bis zu 26 000 Euro. Zwar gibt es auch in Wien nur einen kleinen Kreis besonders gut betuchter Stammkäufer. Die jedoch äußern gerne auch mal individuelle Wünsche. Was den Preis betrifft, gibt es daher „keine Grenze nach oben“.

Dabei trägt das beliebteste Stück einen wahrlich märchenhaften Namen: „Pinocchio“ heißt die Vase, die es in verschiedenen Variationen gibt. 14 Tage dauert es, bis sie fertig ist. Designer Philipp Bruni hat „Pinocchio“ kreiert, 2010 kam die Wackelvase auf den Markt. 350 Stück wurden bisher verkauft. „Ein unglaublicher Erfolg“, wie Uth betont. „Und ein wichtiger Schritt Richtung Zukunft.“ Uth ist sich sicher: Echte Handarbeit stirbt nicht aus — genauso wenig wie Sauerbraten und Apfelkuchen.