Prozess-Kommentierung: Das Tagebuch eines Verteidigers
Richter befürchten eine Manipulation von Zeugen durch Einträge im Internet.
<strong>Wuppertal. "Nahezu tumultartige Szenen im Gericht bei Zeugenvernehmung." "Verbotene Vernehmungsmethoden im Ermittlungsverfahren?" - Die Sätze lesen sich wie Überschriften über Prozessberichte in einer Zeitung. Doch sie stehen in einem "Prozesstagebuch", das der Strafverteidiger eines wegen Mordes Angeklagten und inzwischen zu Lebenslang Verurteilten (siehe Kasten) ins Internet gestellt hat. Nach jedem Verhandlungstag schrieb der Wuppertaler Rechtsanwalt Tim Geißler seine Zusammenfassung in einen "Blog". Zum Unmut des Kölner Landgerichts, das diese Verfahrensweise zwar kritisierte, jedoch keine Handhabe für ein Verbot sah.
Was ein Zeuge im Internet liest, kann seine spätere Aussage beeinflussen
Aber was spricht eigentlich gegen ein solches Prozesstagebuch? Der Wuppertaler Amtsrichter Uwe Heiliger vom Deutschen Richterbund befürchtet, dass hierdurch Zeugen beeinflusst werden. Heiliger: "Nach §58 Strafprozessordnung ist ein Zeuge durch das Gericht einzeln und in Abwesenheit der später anzuhörenden Zeugen zu vernehmen." Sinn dieser Regelung sei es, dass ein Zeuge seine Aussage unvoreingenommen machen soll und insbesondere keine Kenntnis von dem Inhalt der Aussage anderer Zeugen haben soll.Richter Heiliger: "Diese Absicht wird aber erschüttert, wenn der Zeuge vor seiner Vernehmung durch das Internet erfährt, was ein anderer Zeuge ausgesagt hat." Insbesondere könne nicht ausgeschlossen werden, dass der noch zu vernehmende Zeuge seine Aussage der des bereits vernommenen Zeugen anpasst.
Das Tagebuch im Internet: