Prozess: Schleuser-Paar soll Taubstumme zum Betteln gezwungen haben
Die Opfer wurden aus Polen nach Deutschland gelockt.
Düsseldorf. Kneipenbesucher aus vielen deutschen Städten kennen diese Szene: Man trinkt gemütlich in der Kneipe sein Bier. Plötzlich legt jemand diskret einen kleinen Plüschtier-Schlüsselanhänger auf den Tisch - und dazu einen Zettel: "Wir sind gehörlos und bieten ihnen ein Andenken für vier Euro an."
Viele Taubstumme bestreiten mit dieser Form von Bettelei ihren Lebensunterhalt. Ein Paar aus Neuss soll das auf verbrecherische Weise ausgenutzt haben - und wurde deshalb zu einem Fall für das Düsseldorfer Amtsgericht.
Wie die Anklage dort am Donnerstag vortrug, sollen eine 34-Jährige und ein 42-Jähriger - beide aus Polen stammend und selbst gehörlos - in den Jahren 2005 bis 2007 mehrere taubstumme Landsleute nach Deutschland gelockt und dort zum Verkauf der Schlüsselanhänger gezwungen haben.
Persönlich oder via Internet sollen sie ihren Landsleuten lukrative Jobs versprochen haben. Nach der Ankunft in Deutschland, so die Anklage, wurden den Ahnungslosen dann die Pässe abgenommen. In Düsseldorf, Köln und anderen deutschen Städten mussten sie dann durch die Kneipen tingeln - bis zu 14 Stunden am Tag.
"Menschenhandel zum Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft" heißt der Vorwurf, den die Anklage gegen das Paar erhebt. Die gesamten Einnahmen aus dem Verkauf der plüschigen Bärchen und Elefanten - täglich bis zu 50 Euro - hätten die Polen bei den Angeklagten abliefern müssen. Das Paar habe sie unter unwürdigen Umständen entweder in einem Wohnwagen in Köln oder einer Wohnung in Düsseldorf untergebracht und nur unregelmäßig mit Essen versorgt.
Zudem habe das mutmaßliche Schleuser-Duo die ihnen schutzlos Ausgelieferten geschlagen, getreten und gegen die Wand geschubst, falls sie sich einmal geweigert hätten, auf Verkaufstour zu gehen. Erst nach monatelangem Martyrium zeigten vier der Opfer ihre mutmaßlichen Peiniger an.
Zum Prozess vor dem Amtsgericht erschien gestern allerdings nur die Frau. Ihr Mann ist seit Februar verschwunden, er wird per Haftbefehl gesucht. Die 34-Jährige, die von den Lippen lesen kann, äußerte sich nicht zu den Vorwürfen, schüttelte aber bei der Verlesung der Anklage mehrfach den Kopf.
Sie bezeichnete sich als kleine Selbstständige: "Ich mache den Job jetzt alleine und habe keine Angestellten." Durch den Verkauf von Schlüsselanhängern verdiene sie rund 1000 Euro im Monat. Der Prozess wird am 25. August fortgesetzt.