Prozess um Horror-Unfall: Dürfen Epileptiker ans Steuer?

Ein Betroffener verursacht einen Unfall, vier Menschen sterben. Jetzt müssen die Richter klären, ob er überhaupt Auto fahren durfte.

Hamburg. Kein Wort, keine Regung: Im Prozess um den Horror-Unfall von Hamburg-Eppendorf hat der Angeklagte zum Auftakt geschwiegen. Sein Mandant werde zurzeit keine Angaben machen, sagte der Verteidiger vor dem Hamburger Landgericht.

Der 39 Jahre alte Unfallfahrer saß stumm neben ihm auf der Anklagebank. Die dunkelblonden Haare hatte er zurückgekämmt, die Schläfen sind ergraut, seine Haut schien blass. Auch während die Staatsanwältin die Vorwürfe verlas, blieb er regungslos.

Laut Anklage soll er im März vergangenen Jahres während einer Autofahrt einen epileptischen Anfall erlitten und daraufhin die Kontrolle über seinen Wagen verloren haben.

Mit mindestens Tempo 100 raste er über eine rote Ampel, kollidierte mit einem anderen Auto und schleuderte dann mit seinem Wagen in eine Menschengruppe. Vier Menschen — Sozialforscher Günter Amendt, Künstlerin Angela Kurrer sowie Schauspieler Dietmar Mues und dessen Ehefrau Sibylle — kamen bei dem Unfall ums Leben.

Erst als die Kammer des Landgerichts Aufnahmen des Unfallortes zeigte, wandte der Angeklagte seinen Blick in Richtung Monitor. Auf den Holzbänken dahinter fingen einige Zuschauer an zu weinen, als sie die Bilder sahen: Darauf waren unter anderem der fast vollständig zertrümmerte Unfallwagen und Fahrradteile zu sehen.

Zeugen schilderten vor Gericht, wie schockierend es dort direkt nach dem Unfall ausgesehen habe. Zwischen den Trümmern hatten Passanten noch versucht, Verletzte zu reanimieren.

Ein Mensch sei von Rettungskräften schon mit einem weißen Tuch abgedeckt worden. Ein 13-Jähriges Mädchen, das alles mit ansah, sei hinterher kollabiert, sagte ein Polizist im Zeugenstand. Auch das Tandem-Fahrrad des Ehepaares Mues habe er dort liegen sehen.

Die Beschreibungen hörten auch die drei Söhne des getöteten Paares, die als Nebenkläger im Gerichtssaal anwesend waren, aber gefasst wirkten. Sie saßen dem Angeklagten fast unmittelbar gegenüber.

Der blieb weiter stumm: Auch Fragen zur Person, wie der Lebenslauf, die Familienverhältnisse oder schulische Laufbahn, wollte der Unfallfahrer zunächst nicht beantworten. Vor allem die Angaben zu seinem Gesundheitszustand wollte sein Verteidiger vorher mit ihm besprechen.

Seit Jahren leidet der 39-Jährige an Epilepsie und hat schon mehrere schwere Unfälle verursacht. Die Staatsanwaltschaft geht deshalb davon aus, dass der Angeklagte das Risiko kannte — und in Kauf nahm. Der Angeklagte bestreitet das.

Die Feststellungen dazu seien deshalb von zentraler Bedeutung für die Schuld des Angeklagten, sagte Gerichtssprecher Conrad Müller-Horn. Im Blut des Fahrers entdeckten Mediziner zudem den Wirkstoff THC, der in Marihuana enthalten ist. Für den Prozess sind zunächst neun Termine angesetzt. Ein Urteil wird nicht vor Mai erwartet.