„Radikale Gegenwelten“ - Schau über Ludwig II.
Herrenchiemsee (dpa) - Das Leben von „Märchenkönig“ Ludwig II. war Stoff für zahllose Bücher und Filme - es war eine Tragödie. Von einer der dramatischsten Geschichten der Epoche spricht Richard Loibl, Direktor des Hauses der Bayerischen Geschichte.
Was liegt da näher, als auch die große Bayerische Landesausstellung zum 125. Todestag Ludwigs II. als Theaterstück zu inszenieren.
In fünf Akten nähert sich die große Schau, die am Freitag im Schloss Herrenchiemsee eröffnet wurde, dem Leben des weltberühmten Monarchen, der wie kein anderer zur bayerischen Ikone wurde. Ludwig habe zwei Mythen begründet, sagt Loibl, „den Mythos Ludwig und den Mythos Bayern“. Der „Kini“ habe zweifelsohne „Star-Qualitäten“, sagt Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU).
Wer diese bayerische Ikone, dieser Mythos, war, will die sehr multimedial angelegte Schau „Götterdämmerung. König Ludwig II.“ mit Bildern, Videos und vielen persönlichen Gegenständen des Königs ergründen - jenseits der gängigen Klischees. Von der „amtlichen Rehabilitation“ des Königs, der kurz vor seinem Tod entmündigt wurde und auch heute noch vielen als träumerischer Spinner gilt, spricht Bayerns Finanzminister Georg Fahrenschon (CSU). „Er war nicht geisteskrank - im Gegenteil.“ Bayern müsse ihm dankbar sein.
Die Ausstellung in einem nie ausgebauten Seitenflügel von Schloss Herrenchiemsee beginnt mit der strengen Erziehung, in deren zweifelhaften Genuss Ludwig (1845-1886) als Prinz kam. Kinderspielsachen sind zu sehen und viele Fotos von Ludwig, der schon als Kind sehr hübsch war. Gleich im ersten Raum hängt auch das berühmte, goldgerahmte Gemälde, das den 20 Jahre alten König in Uniform mit Hermelinumhang zeigt - so wie er heute auf zahllosen bayerischen Souvenirs zu sehen ist.
Ludwig soll seine Kindheit als unglücklich empfunden haben. Seine lebhafte Fantasie und sein Hang zum Einzelgängertum sind von früher Kindheit an bezeugt. Ein wichtiger Einschnitt war der plötzliche Tod seines Vaters, dessen Tod den umschwärmten Ludwig am 10. März 1864, mit nur 18 Jahren, zum jüngsten regierenden Fürsten Europas machte.
Unerfahren wie er war, geriet er schnell in die Mühlen der Macht und in Konflikt mit Parlament und Regierung. In der Ausstellung ist auch der berühmte Kaiserbrief zu sehen, mit dem Ludwig dem preußischen König die Kaiserkrone antrug und Bayern so zum Teil des Deutschen Reiches machte.
Thematisiert wird zudem Ludwigs Homosexualität, an der Forscher heute kaum noch Zweifel haben. In der Presse von damals wurden die Neigungen des Königs zwar angedeutet, aber nie offen ausgesprochen. Seine Verlobung mit „Sissis“ kleiner Schwester Sophie löste er, kurz bevor es ernst wurde.
Eine für die Ausstellung gedrehte satirische Filmsequenz - in der Ludwig II. auffallende Ähnlichkeit mit dem ermordeten Modedesigner Rudolph Moshammer hat - setzt sich humorvoll mit Ludwigs Beziehung zu Richard Wagner auseinander. Er und seine Musik wurden zunehmend zum Gegenpol zur von Ludwig verhassten Welt. Der König ermöglichte Wagner-Uraufführungen und hatte damit großen Anteil daran, dass München vorübergehend zu Europas Musikhauptstadt wurde. „Ohne Ludwig kein Wagner, kein Bayreuth“, sagt Seehofer.
Die Ausstellung zeichnet den Weg des Wittelsbacher Thronfolgers hin zum träumerischen und weltfremden König nach. Und sie erweckt seine Traumwelt zum Leben. Ein „Akt“ der Ausstellung zeigt in digitalen Konstruktionen, was Ludwig mit Neuschwanstein noch alles vorhatte - hätte er dazu noch die Zeit gehabt.
Teil dieses radikal anderen und entrückten Lebensentwurfes ist auch der prächtige goldene Schlitten, mit dem der König sich - fernab seiner Untertanen - des Nachts so gerne durch die verschneite Landschaft ziehen ließ. Er ist sicher das Prunkstück der Schau. „Ludwigs Gegenwelten sind radikal anders und wer glaubt, sie wirklich durchdringen zu könne, der irrt ganz gewiss“, sagt Loibl. Ludwig selbst schrieb einmal: „Ein ewiges Rätsel will ich bleiben mir und anderen.“
Natürlich ist auch der sagenumwobene Tod des Märchenkönigs im Starnberger See Thema. War es ein Unfall? Selbstmord? Oder gar Mord? Als „Tatort“ inszeniert die Ausstellung dieses letzte Kapitel. Der Schirm ist zu sehen, den Ludwig bei sich trug, als er starb, und die Uhr, die an seiner Leiche gefunden wurde. Auch das Gewehr ist ausgestellt, mit dem ihr „Kini“ nach einer Theorie treuer Ludwig-Fans erschossen worden sein soll. „Es ist ein Luftgewehr“, sagt Loibl. „Und damit löst sich auch die Mordtheorie in Luft auf.“