Raf Simons kann Couture, Karl bleibt cool
Paris (dpa) - So „heiß“ war lange keine Einladung mehr für eine Schau. Das Modevolk drängelte sich in Paris zum Debüt des Designers Raf Simons bei Dior. Karl Lagerfeld ließ sich bei Chanel davon nicht stören.
Ja, er kann es. Raf Simons, im vergangenen April zum Chefdesigner des Modehauses Dior gekürt, wies am Montag in Paris mit einem gelungenen Haute-Couture-Debüt die Skeptiker in die Schranken. Zwar genießt der von Jil Sander kommende Belgier seit vielen Jahren einen exzellenten Ruf als Modemacher, doch hatte er bis dato nie Haute Couture gemacht. Letztere gilt als Königsklasse der Mode: Nur wenige verfügen über das Know How der Hohen Schneiderkunst. Als Simons, studierter Industriedesigner und modischer Autodidakt, am Ende der Schau im schlichten schwarzen Hemd zur schwarzen Hose auf den Laufsteg trat, merkte man ihm die Anspannung noch an.
Enorm war der Andrang zu dieser Schau für Herbst/Winter 2012/13 gewesen, beeindruckend die Gästeliste mit Prominenten wie Sharon Stone und Charlene von Monaco, aber auch Designerkollegen wie Marc Jacobs, Alber Elbaz oder Donatella Versace. Hinzu kam ein äußerst aufwändiges Setting. Fünf Räume des Gebäudes einer Stiftung waren mit über einer Million Blüten geschmückt worden - ein Zimmer in Goldruten, eins in orangerote Rosen oder eins in Rittersporn. Trotz allen Drucks schaffte es Simons, bestechend schöne Entwürfe in Szene zu setzen, bei denen jeder Handgriff stimmte.
Der 44-Jährige blieb der Grundlinie Christian Diors treu und nahm dessen berühmtes Kostüm „Bar“ von 1947 auf. Die für das Kostüm typische „Blütenkelchlinie“ mit schmalem Oberteil und sich öffnendem weiten Rock dekonstruierte er auf sanfte Weise. Mal erschien der Blütenkelch als kostbar besticktes Corsagenoberteil mit Schößchen zur schmalen Hose in Schwarz, mal schwang er sich als elektrisch blaues Astrachan-Kleid um die zarte Figur eines Models, mal trat er als Straßenkostüm in Herrenstoffen auf den Laufsteg.
Kunstvoll geschichtete Netzstrukturen, mit Federn besetzter Organza in Pastellen oder an Bilder Gerhard Richters erinnernde Drucke zeugten von der Einzigartigkeit der Haute Couture. Als Basis der Kollektion wählte Simons präzise geschneiderte Kleider, Smokings oder Mäntel in Schwarz, Marineblau oder Rot. Einige Models trugen Pumps mit abgeknickten Absätzen, die Simons' Dior-Interpretation einen leicht subversiven Anstrich verliehen. „Wunderbar“ und „genau richtig“ nannte die Chefredakteurin der deutschen Vogue die Kollektion. Von einem „Triumph“ sprach die einflussreiche Website „style.com“.
Bei all dem Hype um Dior blieb Karl Lagerfeld souverän. Wie üblich war der Auftrieb zu seiner Chanel-Schau am Dienstag groß. Auch er hatte schöne Frauen wie Sofia Coppola oder Milla Jovovich zu Gast, und der für die Schau im Grand Palais errichtete Teesalon erschien einladend und schön. „New Vintage“ lautete das Thema der Kollektion, bei dem Lagerfeld sich offenbar von Entwürfen Coco Chanels aus den 1930er-Jahre hatte inspirieren lassen.
Überlange Seidenröcke, in Graurosétönen schwelgende Mäntel aus einem Tweed-Patchwork sowie lockere Kostüme in Pastellen waren das Resultat. Alles wirkte wie schon getragen und leicht zu groß. Viele Entwürfe glitzerten dank zahlloser aufgestickter Kristalle oder Pailletten. Lagerfeld schickte auch ein paar „Zuckerbäckerentwürfe“ im 1970er-Jahre-Stil über den Laufsteg - Gewänder in Rosa oder Silber, mal mit Pompons, mal mit gerollten Stoffblüten besetzt. Der „Flohmarkt“-Touch des Ganzen entschärfte den süßlichen Eindruck.
Natürlich gab es noch andere Schauen nicht so im Fokus stehender Designer in dieser für die Modebranche denkwürdigen Saison. Christophe Josse etwa zeigte eine fein gearbeitete Kollektion, deren vordergründige Schlichtheit mit vielen schwarzen Shiftkleidern durch kostbare Materialien wie Krokodilleder aufgewertet wurde. Und die Niederländerin Iris van Herpen setzte ihre modischen Experimente mit surrealen, an Meeresgetier erinnernden Korsettkleidern kunstvoll fort.