Regisseur Cameron will mit U-Boot zum tiefsten Meerespunkt
New York (dpa) - In ein paar Tagen könnte James Cameron der einsamste Mensch der Welt sein. Elf Kilometer vom nächsten menschlichen Wesen entfernt zu sein ist nicht viel - es sei denn, es liegen elf Kilometer Wasser dazwischen und man ist von 170 000 Tonnen Wasserdruck umgeben.
Der Regisseur von „Titanic“ und „Avatar“ will in die Tiefsee. Da war er schon öfter als mancher Vollzeitforscher, doch der begeisterte Laie will ans Limit: Cameron will bis zum tiefsten Punkt der Weltmeere im Marianengraben tauchen, elf Kilometer in tiefste Finsternis, in eine dem Menschen noch fast unbekannte Welt.
„Die Tiefseegräben sind die letzte unerforsche Grenze unseres Planeten“, erklärte der Kanadier in einer Pressemitteilung. „Sie bieten Wissenschaftlern ein Forschungsfeld für 100 Jahre.“ Drei Dutzendmal war er zur „Titanic“ getaucht, und der Dortmunder Physiker Metin Tolan bescheinigt dem Regisseur große historische und wissenschaftliche Genauigkeit. Doch die „Titanic“ liegt in 3800 Metern - der 57-Jährige will jetzt dreimal so tief.
Zum ersten und letzten Mal waren vor gut einem halben Jahrhundert Menschen in dieser Tiefe. Damals waren Forscher oft mehr Abenteurer als Wissenschaftler. Sie stiegen mit gewaltigen Ballons bis weit in die Stratosphäre auf, tauchten mit bizarren Gebilden kilometertief in die Ozeane, stürzten sich mit Raumanzug und Fallschirm aus mehr als 30 Kilometern Höhe in die Tiefe und flogen schließlich zum Mond - der Gipfel der jahrhundertelangen Jagd nach Rekorden und Erkenntnissen, Adrenalin und Erfahrungen. Viele Projekte waren bahnbrechend, manche nur ein kleiner Schritt für die Menschheit, aber ein großer Kick für den Menschen.
Die Schweizer Piccards sind eine ganze Dynastie solcher Wissenschaftshelden. Auguste Piccard (1884 bis 1962) machte sich mit einem Ballon in höchste Höhen und mit einem U-Boot in tiefste Tiefen auf. Sein Sohn Jacques vollendete schließlich das Abenteuer. Zusammen mit dem Amerikaner Don Walsh tauchte er am 23. Januar 1960 in das Challengertief. Während militärische U-Boote schon bei 300 Metern ächzen, gingen die beiden Männer mit ihrem U-Boot „Trieste“ auf unglaubliche 10 911 Meter runter. Rekord. Bis heute.
Aus ihrer in Deutschland gebauten Kugel sahen die Männer eine Traumwelt, die kein Regisseur hätte erfinden können: Pflanzen gibt es in der Finsternis nicht. Aber eine bizarre Tierwelt mit Fischen, deren Magen so dehnbar ist, dass sie Beute verschlingen, die größer ist als sie selbst. Die Weibchen gehen auf Fischfang, während die Männchen mit ihnen verwachsen und sich über den Blutkreislauf der viermal so großen Weibchen versorgen lassen.
Kein Wunder, dass Cameron schon immer von dieser Welt fasziniert war. Doch die Kosten übersteigen selbst die Potenzen des Multimillionärs, er braucht Partner. Der eine ist die National Geographic Society, die seit 1888 wagemutige Geografen unterstützt. Der andere ist ein Herstellers von Luxusuhren, der sich wohl das Image des präzise planenden Abenteuerers erhofft.
In der Tat ist Cameron von einem Spinner weit entfernt. In den vergangenen Tagen ist er, der auch das deutsche Schlachtschiff „Bismarck“ schon mit eigenen Augen sah, mit seiner „Deepsea Challenger“ schon 8200 Meter hinabgestiegen. Seine Fahrt in die größte Tiefe soll noch diesen Monat stattfinden.
Aber er hat gleich zwei Konkurrenten: Richard Branson, mit 4,2 Milliarden Dollar Platz 255 auf der „Forbes“-Liste der Milliardäre, will in den Puerto-Rico-Graben abtauchen. Der ist allerdings zwei Kilometer flacher als der Marianengraben, die mediale Aufmerksamkeit ist dem Abenteurer aber gewiss. „Es waren schon 400 Menschen im All, aber kaum jemand in den großen Gräben“, sagt er. Auch Patrick Lahey, Besitzer einer Tauchfirma, will nach ganz unten. Über sein Projekt ist aber wenig bekannt.
Das Challengertief - nur 40 Meter flacher als das Witjastief, der absolute Tiefpunkt - ist seit der „Trieste“ von Menschen völlig unberührt. Cameron wird die Unterwasserwelt, natürlich, im Film festhalten. Sechs Stunden will er am Boden bleiben, 18 Mal so lang wie Piccard und Walsh 52 Jahre zuvor. „Ja, natürlich mache ich mir Sorgen“, sagt er, schließlich wisse niemand, was da unten in seinem Sieben-Meter-Boot passiere. „Aber Angst ist eine gute Sache, wenn man ein Forscher ist“.