Romley Pfund: Neugierig und leidenschaftlich
Als Chefdirigentin ist die gebürtige Dresdnerin im Bergischen seit zehn Jahren sehr erfolgreich. Noch eine Spielzeit, dann wechselt sie nach Neubrandenburg.
Wer Romely Pfund je bei einem Konzert erlebt hat, der weiß, warum Orchester und Publikum die Dirigentin so ins Herz geschlossen haben. Leidenschaftlich, konzentriert, charmant und stets mit einem Gespür für den rechten Takt, so kennt und liebt das Publikum die 52-Jährige.
Seit 1998 ist sie die Generalmusikdirektorin der Bergischen Symphoniker. Und je nach Anlass steht sie mal im Frack, im eleganten Kleid, mit Clownsnase oder mit Lederjacke vor ihren Musikern. Gänzlich unprätentiös. Eine Spielzeit im Bergischen Land hat sie noch vor sich, dann wechselt sie Mitte 2009 als Musikalische Oberleiterin und Operndirektorin an die Theater und Orchester GmbH Neubrandenburg/Neustrelitz.
Auch wenn sie damit ein erhebliches Stück näher an ihren Mann rückt, der seit einem Jahr Theaterdirektor in Lübeck ist, blickt sie mit gemischten Gefühlen auf den Neuanfang. "Ich freue mich auf die kommende Aufgabe", sagt Romely Pfund, "aber der Abschied wird noch schwer." Denn Pfund, die Bergischen Symphoniker und ihr Publikum - das ist eine gegenseitige Liebe.
Pfund sitzt in ihrer Wohnung im idyllischen Remscheider Stadtteil Lennep und blickt zurück. "Die Zeit ist verflogen wie nichts", sinniert die zweifache Mutter und lächelt. Das Pendeln zwischen Solingen und Remscheid, für zwei Städte da zu sein - das sei ungewohnt und anstrengend in den ersten Tagen gewesen. "Die erste Spielzeit war wie ein Rausch, der in der Sporthalle West in Remscheid mit dem Konzert ,Philharmonic Rock’ endete", bekennt sie.
"Philharmonic Rock", das ist ein gutes Beispiel für die neuen musikalischen Wege, die das Orchester mit Pfund eingeschlagen hat. Es gab viele weitere, und alle führten sie näher ans Publikum. Ob Schulkonzerte, Filmmusik, die Nachtmusik auf dem Lenneper Marktplatz oder Fusionen mit Jazz und Weltmusik - Romely Pfund zeigt sich offen, neugierig, grenzüberschreitend und dialogbereit. Mit Erfolg. Wo andere Städte mit mangelndem Zuschauerzuspruch bei den Konzerten zu kämpfen haben, sind in Solingen und Remscheid die Konzerte oft ausverkauft.
Ihr Weg ins künstlerische Leben begann früh. Als Kind verbrachte sie ihre Zeit bei der Mutter, der Ballettmeisterin Ingeborg Kassner, im Ballettsaal und beim Vater, dem Geiger Max Pfund, im Konzert. Die gebürtige Dresdnerin lernte Klavier und wusste, dass sie niemals einen bürgerlichen Beruf ausüben wollte.
Nach dem Abitur wurde diese vage Vorstellung klarer. Chefdirigentin wollte sie werden. "In der damaligen DDR waren Frauen in leitenden Positionen nicht so unüblich", sagt Pfund. Geduldig beantwortet sie die Fragen nach dieser Sonderstellung als Frau am Dirigentenpult. "Das wird einfach immer so hoch gespielt, dabei spielt es in der Ausübung keine Rolle", stellt sie klar. "Wer ein Orchester führt, muss wissen, was er will." Wie ungewöhnlich ihre Position ist, zeigen die Zahlen: 2002 gab es in der Bundesrepublik unter 76 Generalmusikdirektoren gerade mal zwei Frauen.
Sie studierte Dirigieren und Klavier an der Hochschule für Musik in Dresden. In dem berühmten Dirigenten Kurt Masur fand Pfund einen prominenten Förderer. Er sorgte unter anderem dafür, dass sie am Tanglewood-Music-Centre in den USA mit einigen der größten Dirigenten unserer Zeit arbeiten konnte, darunter Leonard Bernstein und Gennadi Roshdestwenski.
1987 wurde sie Generalmusikdirektorin der Neubrandenburger Philharmonie. Gastdirigate führten Pfund in viele europäische Städte, in die USA, nach Russland und Japan. Sie gab Konzerte mit dem Gewandhausorchester Leipzig, der Dresdner Philharmonie und gastierte an der Komischen Oper Berlin.
Leichter sei es damals für sie als junge Absolventin gewesen, Berufspraxis zu bekommen. Heute fast eine Unmöglichkeit. Nicht zuletzt deswegen hat sie 1999 zusammen mit den Bergischen Symphonikern die Orchesterakademie gegründet, die junge Musiker und Dirigentinnen mit der praktischen Arbeit im Orchester vertraut macht - eine der wenigen Einrichtungen dieser Art in Deutschland.
Und ganz nebenbei bekam Pfund zwei Kinder. Wie schwer es war und ist, die Familie und den Beruf zu verbinden, davon kann sie viele Lieder singen. "Da ist jeder Tag eine neue Herausforderung", lacht sie. Ohne das Netzwerk aus Familie und Freunden sei das nicht gegangen. 14 und 16 Jahre sind die Kinder inzwischen. Ab dem kommenden Schuljahr werden sie beim Vater im Norden leben.
"Das eröffnet ganz neue Zeitfenster", erzählt Pfund, die sich nun auf freie Abende freut, die sie mit Lesen, Theater, Oper und Konzerten füllen kann.
Romely Pfund liebt die Musik, das ist klar. Und zwar genau dann, wenn "einem die Luft weg bleibt" und sie "mitten ins Herz geht". "Wenn man einmal erlebt hat, was Musik vermag, dass sie einen bis ins Innerste erschüttern kann, das ist eine unvergleichliche Erfahrung", schwärmt sie. Als Zuhörerin hat sie diese Augenblicke erlebt, als Dirigentin ist es ihr Ziel, solche Momente zu schaffen. Pfund ist in ihrem Element.
Die blauen Augen blitzen, als sie versucht, in Worte zu fassen, was den Zauber ausmacht. "Man wird eins mit dem Orchester, mit der Musik, alles bekommt etwas Schwebendes, es atmet. Und wenn es funktioniert, dann wird man von Liebe durchströmt." Sie lacht verlegen. "Klingt pathetisch, aber so ist es."
Doch es geht ihr auch darum, ihre eigene Vision zu Gehör zu bringen. Wie ein Werk klingen soll, davon hat sie eine konkrete Vorstellung. Um diese zu hören, benötigt sie daheim Stille. CDs finden sich nur wenige im Wohnzimmer. Ein Klavier steht dort, unzählige Notenhefte liegen herum, viele Bücher stehen im Schrank.
Ob man sich nicht wiederholt, wenn man die gleichen Stücke spielt? Pfund wehrt ab. "Nie! Es wird immer anders - und immer schöner", sagt sie. Ein Satz, den man ihr gerne mit auf den Weg geben möchte.
Das Programm für die nächste Spielzeit im Bergischen steht, gedanklich befasst sie sich schon mit der neuen Aufgabe. Gerade will sie erzählen, was sie in Mecklenburg-Vorpommern plant, da ruft Sohn Max aus dem Nebenzimmer, braucht ihren Rat. Fast zeitgleich klingelt ihr Handy. Alltag im Hause Pfund. Noch eine Stunde, dann ist Probe.