Schicke Scheinfassaden gegen tristen Leerstand
Mit Attrappen verbirgt eine englische Kleinstadt die Lücken in ihrer Einkaufsstraße.
London. Leere Ladenlokale, so klagen Kommunen diesseits und jenseits des Ärmelkanals, sind Gift für die Einkaufsstraßen. Eine kleine englische Küstenstadt macht nun jedoch Schlagzeilen mit einem Patentrezept gegen hässliche Lücken in ihrem Ortskern: Whitley Bay lässt 3-D-Attrappen schicker und herrlich drapierter Auslagen vor die blinden Scheiben nageln.
Die Wirtschaftsförderung jubiliert, die Passanten reiben sich erstaunt die Augen - und mancher fühlt sich versetzt ins Russland des 18.Jahrhunderts, wo schon Regionalfürsten die Zarin mit potemkinschen Dörfern zu blenden wussten.
Die nordenglische Variante der optischen Täuschung ist in der Tat hervorragend gelungen: Im "Feinkost-Laden" strahlt links eine verchromte Sandwich-Bar, in der Mitte stapelt sich das polierte Obst ordentlich nach Farben sortiert und rechts locken Eimer voller Frischblumen. Vor dem Geschäft blicken Kunden hingerissen auf das Angebot. Schade nur, dass der schöne Schein trügt. Denn die Zitronen und die Nelken sind nur kunstvoll bedrucktes Sperrholz, das vor die verlassene Filiale eines Textil-Discounters genagelt wurde.
Die Scheinfassade hübscht erfolgreich den tristen Anblick der rezessionsgeplagten Ladenpassage auf, spielt aber auch mit der Sehnsucht. Denn in all ihrer 3-D-Pracht zeigt sie, was möglich wäre an diesem Ort. Das weckt Wünsche bei der Kundschaft und inspiriert auch zaudernde Investoren. Judith Wallace, Vize-Bürgermeisterin von Whitlney Bay, sieht die Abwärtsspirale ihrer Hauptstraße jedenfalls schon durchbrochen: Für manche der 49 leeren Geschäfte gibt es zum ersten Mal seit langer Zeit wieder Interessenten. Eine Gastronomin will sogar renovieren, so sehr hat ihr die attraktive Design-Attrappe eines Cafés gefallen.
1700 Euro zahlt die Kommune einem ansässigen Grafiker für jedes Imitat. Das Geld sei gut angelegt, befinden auch andere, die die Idee nun kopieren wollen.