Eine Gärtner-Guerilla – mit Primeln bewaffnet
Frühlingsaktion: Grüne Partisanen bepflanzen ohne Erlaubnis verwahrloste öffentliche Flächen.
Essen. Sie sind bewaffnet mit Schaufeln, Primeln, Hornveilchen und zarten Kohlrabi-Setzlingen. Ein kleiner Trupp "Guerilla-Gärtner" macht sich bei frühlingshaften Temperaturen auf den Weg. Das Ziel: Eine mit alten Zigarettenkippen und welkem Laub übersäte Grünfläche in der Nähe des Essener Hauptbahnhofs. Die Mission: verwahrloste öffentliche Brachflächen in den Städten in "kleine Paradiese" verwandeln. Beherzt buddelt der Brite Richard Reynolds mit bloßen Händen in der Erde. "Hier gibt es viel zu tun", ist er sich nach kurzem Blick auf das schmuddelige Ambiente sicher.
Begleitet wird der Londoner Werbeprofi bei seiner Aktion von einem Kamerateam und mehreren Fotografen. Der 32-Jährige versteht sich als Sprachrohr einer weltweiten Bewegung. Nach einem Besuch des Kölner Literaturfestivals Lit-Cologne hat er nun im Ruhrgebiet Station gemacht, um sein neues Buch zum Thema vorzustellen. Auch am Rhein hat er seine Spuren hinterlassen: In ungepflegten öffentlichen Blumenkübeln sollen nun in diesem Jahr Riesen-Sonnenblumen aufblühen. Um Erlaubnis gebeten hat Reynolds vorher nicht.
Für "Guerilla-Gärtner" sind das Rheinland und das Ruhrgebiet noch eine Art Entwicklungszone. In Deutschland gelten bislang Metropolen wie Berlin oder Frankfurt als Hochburgen der Bewegung. Unbestrittenes europäisches Zentrum des grünen Trends ist Großbritannien. Der kämpferische Name der Blumen-Freunde entstand jedoch bereits in den 70er Jahren in den Straßenschluchten von New York.
"Der Spaß steht bei meinen Aktionen immer im Vordergrund. Politische Botschaften sind da eher zweitrangig", bekennt er. Gemüse und Salat in Blumenbeeten findet er dekorativ. Wer es mag, kann die Produkte der "Guerilla-Gärtner" auch im Kochtopf verschwinden lassen. So soll ein britischer Gärtner ein ganzes Viertel mit wild wuchernden Zucchini versorgen.
Unter seinen Essener Fans findet der Brite bei seiner Lesung viel Beifall. Spontan springt eine ältere Dame auf und reicht einen mit Stockrosen-Samen gefüllten Weidenkorb aufs Podium. Kritisch diskutiert wird aber auch die Frage nach der Legalität der Aktionen der "Guerilla-Gärtner".
Zumindest bei der Stadt Essen zeigt man sich über Bürger-Engagement in den Zeiten knapper Kassen hocherfreut. Es drohen nämlich tiefe Einschnitte auch bei der Grünpflege. Rund tausend Bürgerpaten pflegen mit offizieller Zustimmung der Stadt deshalb schon heute freiwillig städtisches Grün. Nur "Guerilla-Gärtner" nennt sich bislang kaum jemand.