Schlingensief: „Jetzt erst recht“
Bei Beckmann sprach der krebskranke Regisseur über Hochzeitspläne und neue Projekte. Zur Vorstellung seines Buches konnte er tagsdrauf wegen Fiebers nicht kommen.
Berlin. Der an Krebs erkrankte Theaterregisseur Christoph Schlingensief plant die Hochzeit mit seiner Verlobten Aino und stürzt sich in neue Theaterprojekte, wie er bei Beckmann in der ARD-Talkshow am Montagabend verkündete.
Aber schon Stunden später holte ihn die Wirklichkeit mit hohem Fieber ein, so dass er am nächsten Morgen im Prater der Berliner Volksbühne an der Vorstellung seines "Tagebuchs einer Krebserkrankung" als "Hauptdarsteller" nicht teilnehmen konnte.
Nach der Rückkehr von der TV-Aufzeichnung in Hamburg habe der 48 Jahre alte Regisseur einen Rückfall erlitten, teilte sein Verleger Helge Malchow sichtlich betroffen gestern mit. "Das ist keine Provokation oder Aggression, sondern einfach seinem gesundheitlichen Umstand geschuldet. Seine Grundstimmung ist aber eigentlich positiv und optimistisch." In der Tat ist Schlingensiefs Devise jetzt erst recht "arbeiten, rausgehen, nicht depressiv werden", wie er bei Beckmann betonte.
In seinem "Tagebuch einer Krebserkrankung", redet sich Christoph Schlingensief seine Krankheit von der Seele. Es ist das reinste Horrorbuch und doch das bewegende Zeugnis eines unbändigen Lebenswillens trotz manchmal tiefster Verzweiflung und "aufschreiender Seele", eines Mannes, der doch glaubte, "das große Los in diesem Leben" gezogen zu haben.
Ende vergangenen Jahres hat Schlingensief begonnen, Abschiedsbriefe zu schreiben und da ist auch ständig die "wahnsinnige Angst, irgendwann alleine in diesen dunklen Tunnel gehen zu müssen". Und bevor es soweit sein sollte ("Ich will noch 35 Mal Weihnachten feiern") gibt es noch eine "Rechnung" mit Bayreuth zu begleichen, dem Ort seines vielleicht größten Triumphes mit seiner "Parsifal" - Inszenierung von 2004 bis 2007. "Das ist ja ein Abschiedswerk von Wagner, wo das Christentum in eine Kaugummifabrik überführt wird", wie er bei Beckmann sagte. ",Zum letzten Liebesmahle, gerüstet Tag für Tag.’ Wer da nicht bekloppt wird ... Ich glaube, dass die Leute Beyreuth missverstehen." Nach den letzten Diagnosen scheine festzustehen, dass sein Krebs tatsächlich im ersten Jahr von Bayreuth 2004 begonnen hat. "Bayreuth ist ein Regiment von Leuten, ich bezeichne die mal als eine kleine faschistische Armee, man wird überwacht und abgehört und so weiter."
Schlingensief würde gerne sein eigenes Festspielhaus errichten, und zwar in Afrika. Deswegen fährt er in Kürze auch wieder nach Burkina Faso. Vielleicht wird vorher noch geheiratet, "und sei es für drei Stunden oder nur 30 Sekunden, das ist dann ein Leben", sagte Schlingensief bei Beckmann.