Schwalmtal: Blutiger Amoklauf vor Gericht
Rentner Hans P. (72) ist wegen dreifachen Mordes angeklagt. Er selbst schweigt, doch sein Anwalt bestätigt die Täterschaft.
Mönchengladbach. Den 18. August 2009 wird im Schwalmtaler Ortsteil Amern niemand so schnell vergessen. Wie ein Lauffeuer machte die Nachricht von dem Blutbad die Runde, das Rentner Hans P. (72) an diesem Nachmittag anrichtete.
Drei Männer starben durch Kugeln aus seiner Waffe: zwei Anwälte (70 und 39) sowie ein Gutachter. Ein weiterer Gutachter überlebte schwer verletzt. Er konnte trotz einiger Treffer auf die Straße flüchten.
Auch wenn der Angeklagte Prozessauftakt im Mönchengladbacher Landgericht schweigt, lässt sein Verteidiger Siegmund Benecken keinen Zweifel an dessen Täterschaft: "Dass er geschossen hat, räumt er ein", sagt Benecken. Sein Mandant werde sich aber erst einmal nicht äußern.
Von dreifachem Mord und einem versuchten Mord, von Heimtücke und niedrigen Beweggründen spricht Staatsanwalt Stefan Lingens in der Anklageschrift. Die konnte er am Mittwoch endlich verlesen, nachdem der für den 2. Februar geplante Prozessauftakt geplatzt war. Hans P. hatte sich kurz zuvor einer Herzkatheteruntersuchung unterzogen und war nicht verhandlungsfähig. Jetzt kann er laut den Ärzten bis zu fünf Stunden am Tag der Verhandlung folgen.
In der Anklageschrift heißt es, Hans P. sei am Tag vor der Tat zu seiner Tochter nach Amern gereist. Im Gepäck die Waffe - und die feste Absicht, die Männer zu töten. Hintergrund war ein seit Jahren schwelender Familienstreit. Die Ehe seiner Tochter Barbara K. war kaputt. Nur das gemeinsame Haus am Margeritenweg verband sie noch mit ihrem Ex-Ehemann Hubert.
Anwälte und Gutachter waren da, um endlich Einigung über einen Verkauf zu erzielen. Hans P. befürchtete, seine Tochter könnte dabei über den Tisch gezogen werden. Er machte vor allem dem Anwalt seines Ex-Schwiegersohns massive Vorwürfe. Dieser habe die anderen Beteiligten bestochen, um das Gutachten zugunsten von Hubert K. ausfallen zu lassen.
Der erste Prozesstag ist am Mittwoch nach kurzer Zeit zu Ende. Das liege am aktuellen Gesundheitszustand, sagt Mit-Verteidiger Michael Rost. Hans P. ist angesichts des Presseauflaufs im Gerichtssaal zitternd in den Stuhl gesunken und weint. Sein Gesicht wirkt aufgedunsen, seine Augen sind mal tränenverhangen, dann aber wieder hellwach umherschauend.
Das Thema Verhandlungsunfähigkeit hatte schon einmal eine Rolle gespielt. 2006 war der Familienstreit bereits eskaliert. Hans P. war angeklagt worden, einer Verwandten einen Baseballschläger auf den Kopf geschlagen zu haben.
Er selbst war jedoch auch verletzt worden, hatte ein Verfahren gegen ein anderes Familienmitglied angestrengt. Das war eingestellt worden - aus Mangel an Beweisen. Auch gegen Hans P. konnte nicht verhandelt werden - er litt an einer Traumatisierung, die es unmöglich machte, dass er einem Prozess folgte.
Diesmal gehe man zunächst von der Verhandlungsfähigkeit aus, sagt Staatsanwalt Lingens nach dem Prozesstag. Und die Möglichkeit, wieder freizukommen, dürfte nun auch entfallen. Sollte der Prozess wegen der Krankheiten des Angeklagten platzen, könnte er in einem Sicherungsverfahren in eine psychiatrische Anstalt eingewiesen werden. Doch vorerst geht es um lebenslange Freiheitsstrafe und Sicherungsverwahrung. Morgen werden die ersten Zeugen gehört.