Sexueller Missbrauch: Zahlen sind rückläufig

Kinder werden seltener Opfer von sexueller Gewalt als 1992.

Berlin. Überraschendes Ergebnis einer Studie zum sexuellen Missbrauch: Kinder und Jugendliche werden seltener Opfer von Sexualstraftätern als vor rund 20 Jahren.

Der Leiter des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen (KFN), Christian Pfeiffer, führt dies auch darauf zurück, dass die Opfer mehr öffentliche Beachtung finden und sich eher trauen, Täter anzuzeigen.

Die Täter gingen ein höheres Risiko ein, vor Gericht zu landen. Eine Entwarnung gaben er und Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) bei der Vorstellung der Studie aber nicht.

Bei der repräsentativen Befragung berichteten 6,4 Prozent der Frauen und 1,3 Prozent der Männer von einem Missbrauch mit Körperkontakt vor ihrem 16. Geburtstag. Verglichen mit einer KFN-Studie von 1992 seien die Zahlen gesunken, sagte Pfeiffer.

Damals hatten 8,6 Prozent der Frauen und 2,8 Prozent der Männer einen Missbrauch mit Körperkontakt bis zum 16. Lebensjahr angegeben. Weiteres erstaunliches Ergebnis der neuen Befragung: Nur eine einzige Person — eine 28 Jahre alte Frau — gab einen Missbrauch durch einen katholischen Priester an.

Der öffentliche Eindruck war Anfang 2010 ein völlig anderer: Damals wurden immer mehr Missbrauchsfälle der Vergangenheit in der katholischen Kirche und anderen Einrichtungen bekannt. Die Politik setzte daraufhin einen Runden Tisch zur Aufarbeitung der Fälle und eine Beauftragte ein, an die sich die Opfer wenden können.

Die Autoren der Studie sehen darin keinen Widerspruch: „Bei den Opfern solcher Taten, die sich 2010 oder auch 2011 gemeldet haben, handelt es sich zu einem sehr großen Anteil um über 50-Jährige, deren Opfererfahrung mehr als 35 Jahre zurückliegt.“ Die nun Befragten waren mit 16 bis 40 Jahren deutlich jünger. Die Autoren der neuen Studie räumen aber selbst einen Knackpunkt ein: Katholiken und frühere Heimkinder sind in der Befragung unterrepräsentiert.

Als häufigste Täter wurden Onkel, Stiefväter oder Väter genannt. Auch Nachbarn und Freunde der Eltern gehören außergewöhnlich oft zum Täterkreis. Der Rückgang sexuellen Missbrauchs betreffe vor allem die Taten in Familien. Das Risiko, von unbekannten Tätern missbraucht zu werden, sei über die vergangenen drei Jahrzehnte weitgehend konstant geblieben.

Um genauere Erkenntnisse über die Beteiligung katholischer Geistlicher an Missbrauchsfällen zu bekommen, arbeitet das KFN an einer weiteren Studie. Dazu öffnet die Kirche erstmals ihre Archive. Ergebnisse sollen in etwa zwei Jahren vorliegen.