Siegesfeier: Fußball-WM bringt alle zusammen

Im ganzen Land herrscht kollektive Begeisterung. Manche Forscher sprechen dabei von einem „Party-Patriotismus“.

Volles Haus im Grefrather Eissportzentrum. Dort schauten mehr als 3900 Fans gemeinsam das dramatische Spiel gegen Argentinien.

Foto: Reimann, Friedhelm (rei)

Düsseldorf. WM-Triumph in Schwarz-Rot-Gold: Millionen Fans sind im Freudentaumel, Fahnenmeere in den Nationalfarben sind die vertrauten Bilder dieser Wochen. Zur Weltmeisterschaft ist zu sehen, was sonst in Deutschland eher tabu bleibt: Nationale Symbole zur Schau stellen, sich patriotisch zeigen, sich offen, stolz und unverkrampft zum eigenen Land bekennen. Einige sehen einen fröhlichen und weltoffenen Patriotismus, andere diagnostizieren eine neue Unverkrampftheit — doch mancher mahnt zur Vorsicht.

Fussball-Fans feierten ausgelassen bis weit in die Nacht auf dem Döppersberg in Wuppertal-Elberfeld.

Foto: Michael Bergmann

„Ein angemessenes Maß an Skepsis und ein wachsames Auge gehören mit Blick auf die Geschichte dazu“, sagt Martin Winands vom Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) an der Uni Bielefeld. Die Euphorie wolle niemand zerstören, aber: „Es geht um den Hinweis, dass es auch einen negativen Trend nehmen kann.“ Der Wissenschaftler von der IKG-Fachstelle Fußball und Konflikt betont: „Sobald die Zuwendung zur eigenen Nation mit der Abwertung anderer einhergeht, ist es problematisch. Es ist wichtig, dass wir keinen überbordenden Nationalismus zulassen.“

Dicht an dicht rollten die Wagen beim Autokorso durch die Düsseldorfer Innenstadt. Der Jubel der deutschen Fans galt vor allem dem Siegtorschützen Mario Götze.

Foto: Judith Michaelis

Bei aller Freude über den WM-Titel: „Man sollte den gleichen Respekt auch den anderen Nationen und Mannschaften entgegenbringen und sich nicht selbst überhöhen — auch wenn die Emotionen sich gerade hochschaukeln“, mahnt Winands.

Schwarz-Rot-Gold war die Nacht für viele Grevenbroicher, die den Sieg bis in den Morgen feierten.

Foto: Picasa

Kollektive Begeisterung plus „Party-Patriotismus“ sieht der Bonner Politikwissenschaftler Volker Kronenberg. Seit der WM in Deutschland — dem „Sommermärchen“ — habe sich ein „Selbstverständlichungs-Patriotismus“ entwickelt. Deutschland werde auch im Ausland nicht mehr als bedrohlich angesehen. Ein fröhliches, weltoffenes, „europäisch fundiertes“ Nationalbewusstsein entstehe.

„Ich bin stolz auf unsere Mannschaft, warum nicht auch auf unser Land? Das ist Zugehörigkeitsgefühl, kein Nationalismus, das ist harmlos“, meint Fan Christoph Jansen. „Ob Formel 1 oder ,Wir sind Papst’ oder jetzt die WM: Man fiebert mit, man fühlt sich als Teil des Ganzen und ist stolz darauf.“

Das deutsche WM-Team ist mit Jérome Boateng, Sami Khedira oder Mesut Özil zudem eine echte Multikulti-Truppe. Ist da eine unschöne nationale Überhöhung nicht ohnehin kaum möglich? Winands: „Sehr erfreulich ist, dass wir eine bunte Nationalmannschaft haben, die die Vielfalt unserer Gesellschaft widerspiegelt. Das wird auch im Ausland positiv gesehen.“

Eine zu starke Identifikation mit dem eigenen Land kann aber die Gefahr bergen, dass sie in Nationalismus umschlägt, meint der Marburger Sozialpsychologe Ulrich Wagner. Der Grat zwischen Patriotismus und Nationalismus sei schmal, sagte er. Und nationale Symbolik könne eine nationale Gesinnung verstärken. Zur WM 2014 ist Schwarz-Rot-Gold aber kombiniert mit fröhlichen Gesichtern. Kronenberg: Nationale Symbole zusammen mit Freundlichem erzeuge positive Bilder.

Die WM entfalte eine wohltuende Wirkung. Krankenschwester Birgit Pfannkuchen meint: „Auch Menschen mit nicht-deutschen Wurzeln sind stolz auf das deutsche Team. Die WM bringt alle zusammen.“