Strafpredigt eines erzürnten Pontifex

Papst Benedikt XVI. geißelt die Verfehlungen in der irischen Kirche. Zu den deutschen Fällen aber sagt er kein Wort.

Rom. Frühlingsanfang auf dem Petersplatz, die Touristen aus aller Welt strömen zum Dom der Dome. Nur einen Steinwurf entfernt muss Federico Lombardi, Sprachrohr des Papstes, derweil ein düsteres Kapitel erläutern: BenediktXVI. macht den lange schon angekündigten Hirtenbrief an Irlands Katholiken endlich publik. Als Antwort auf den abscheulichen und tausendfachen sexuellen Missbrauch in kirchlichen Einrichtungen der grünen Insel geht der Oberhirte scharf mit seinen schwarzen Schafen ins Gericht. Er kanzelt die Täter ab und auch jene Bischöfe, die jahrelang allein mit dem Vertuschen beschäftigt waren.

Kleiner Schönheitsfehler des päpstlichen Briefes aus Rom: nicht ein Wort darin zu den deutschen Missbrauchsfällen. Das Oberhaupt von knapp 1,2 Milliarden Gläubigen müsse und könne sich nicht jeden Tag zu allem äußern, so der Vatikan. Beim Angelusgebet wendet sich Benedikt an die Gläubigen: "Unnachgiebig mit der Sünde - auch der eigenen", sollten sie sein, geduldig jedoch mit den Menschen, also den Sündern. An die deutschen Pilger auf dem Petersplatz geht die Mahnung, andere nicht vorschnell zu verurteilen: "Prüfen wir, ob wir den moralischen Maßstäben, die wir an andere anlegen, auch selbst gerecht werden."

Wie sehr den Pontifex erzürnt, was sich hinter Kirchenmauern zugetragen hat, spricht aus fast jeder Zeile des Hirtenbriefes. Er prangert die "Schwere der Vergehen und die oftmals unangemessene Reaktion der kirchlichen Autoritäten" an. Er geißelt die Untaten jener Priester und Ordensleute, die das Vertrauen verraten haben, "das von unschuldigen Menschen und ihren Familien in Euch gesetzt wurde". Und er geht auf die Opfer und ihre Familien zu: "Ihr habt viel gelitten, und ich bedauere das aufrichtig. Ich weiß, dass nichts das Erlittene ungeschehen machen kann." Im Namen der Kirche drückt Benedikt "die Schande und die Reue aus, die wir alle fühlen".

Robert Zollitsch, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, sieht in dem Papstbrief auch "eine Botschaft an uns in Deutschland". Den Iren gilt der Hirtenbrief, da der Skandal dort andere Dimension hat und zwei Untersuchungsberichte ein dramatisches Fazit brachten. Deutschland steckt da noch mittendrin.

"Wir müssen das verstörende Problem zu verstehen versuchen, das nicht wenig zur Schwächung des Glaubens und dem Verlust des Respekts vor der Kirche und ihren Lehren beigetragen hat." Die Gründe für die Krise sieht der Papst in der unzureichenden Auswahl und Ausbildung der Priester und Ordensleute. Und in einer "fehlgeleiteten Sorge" um den Ruf der Kirche durch die, die Skandale unter den Teppich kehrten. Jetzt seien Durchhaltevermögen und Gebete nötig, auf der Insel ebenso wie anderswo. Denn: "Es ist wahr, dass das Problem des Missbrauchs weder ein rein irisches noch ein rein kirchliches ist." Dennoch wird sich gerade der Vatikan noch den Kopf zerbrechen müssen, was Rom tun muss.

Eigentlich will sich der Papst jetzt auf das Osterfest zur Auferstehung Christi einstimmen. Gestern aber kamen nicht nur die Touristen in die Ewige Stadt, sondern auch Vertreter der abtrünnigen erzkonservativen Pius-Brüder. Sie dürfen über eine Wiederannäherung an Rom verhandeln. Ein wahrhaft problembeladenes Wochenende am Tiber.