Streit: Angstlos im Tunesien-Urlaub

40 Urlauber wollten sich während der Unruhen nicht ausfliegen lassen. Der Reiseveranstalter fühlt sich jetzt nicht mehr für sie zuständig.

Wuppertal/Tunis. Als in Tunis Massen auf die Straßen gingen, um gegen Diktator Ben Ali zu demonstrieren, spazierte Horst Rahn vermutlich gerade am Strand entlang. Als am 14. Januar der Ausnahmezustand ausgerufen wurde, spielte er vielleicht Fußball. Beides gehört für den 64-Jährigen aus Wuppertal seit Anfang Januar zur täglichen Routine. Er überwintert gemeinsam mit hunderten Deutschen im Küstenort Port el Kantaoui, etwa 150 Kilometer von der tunesischen Hauptstadt entfernt und sagt: „Hier war alles ruhig, der Aufstand war weit weg.“

Das Auswärtige Amt sah das anders. Schon am 13. Januar hatte es in einem verschärften Sicherheitshinweis von Reisen nach Tunesien abgeraten. „Das war für uns der Fingerzeig, die Urlauber auszufliegen“, sagt Tobias Jüngert, Sprecher der Rewe Touristik, mit der auch Horst Rahn unterwegs war. Das Problem: Der Rentner und etwa 40 weitere Urlauber wollten gar nicht weg. „Uns ging es wunderbar, es gab keine Engpässe und keine Bedrohung“, sagt Renald Golf, Urlauber aus Recklinghausen.

Die Rewe Touristik bestand darauf. „Wir hatten täglich Verbindung zum Auswärtigen Amt und es war überhaupt nicht absehbar, wie sich die Lage entwickelt“, sagt Jüngert. Rewe Touristik charterte „für sehr viel Geld“ Sondermaschinen, um die insgesamt 15 000 Kunden vor Ort ausfliegen zu können. Gleichzeitig kündigte sie die Reiseverträge mit ihnen wegen höherer Gewalt (siehe Kasten). Das bedeutete: Hotel und Rückflug mussten ab sofort aus eigener Tasche bezahlt werden. Wer nicht bereit war, Tunesien zu verlassen, sollte eine Erklärung unterzeichnen, die Rewe Touristik von allen weiteren Pflichten entband. Rahn hat nicht unterschrieben. Er bleibt noch bis Anfang April in Tunesien.

Renald Golf ist entsetzt: „Ich sehe ein, dass die Firma nicht mehr länger die Verantwortung für uns übernehmen wollte. Aber ich erwarte, dass sie ihre Verträge mit uns einhält.“

Frank Adolphs ist Anwalt in Wuppertal mit einer Spezialisierung auf Reiserecht. Er sagt: „Wenn Verträge gekündigt werden, haben die Reisenden Anspruch darauf, einen Teil des Geldes für nicht erbrachte Leistungen zurückzubekommen. Üblich sind 80 Prozent.“ Rewe Touristik hat das anders gelöst. Die Hotelkosten hat das Unternehmen in der Zwischenzeit bezahlt, die Flugkosten übernehmen sie weiterhin nicht. Die Urlauber planen nun eine Sammelklage.

Die Deutschen haben in der Zwischenzeit an einer Friedensdemonstration teilgenommen und den tunesischen Tourismusminister getroffen.