„The Wall“ in Berlin: Roger Waters mauert

Berlin (dpa) - Stein auf Stein. Immer höher und bedrohlicher wird die Mauer. „The Wall“. Plötzlich kreisen Scheinwerfer umher und Sirenen heulen. So sieht der Bau der Mauer aus - in Roger Waters' Rockshow.

„Fear builds walls.“

Angst baut Mauern. Diesen Satz wiederholt Waters oft, und er erscheint auch während der Aufführung in Berlin in roten Buchstaben.

Es war vor 30 Jahren, als Pink Floyd die Uraufführung von „The Wall“ feierte. Es war vor 50 Jahren, als in Ost-Berlin der DDR-Staatsratsvorsitzende Walter Ulbricht auf einer Pressekonferenz sagte: „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten.“ Zwei Monate später stand sie. Ebenfalls als Sinnbild einer Angst - vor einer Massenflucht gen Westen.

Bei Waters geht es um einen inneren Mauerbau. Seine Mauer ist weiß. Sie besteht aus Pappziegeln und bietet die perfekte Projektionsfläche. Fotos und Videos werden auf ihr abgespielt. Fotos, die getötete Soldaten und Zivilisten aus Kriegsgebieten zeigen. Darunter ist auch der Vater von Waters, der im Zweiten Weltkrieg starb. Das ist ein Grund, warum die Rockshow oftmals auch autobiografisch interpretiert wird.

Die düstere Geschichte handelt von einem Rockstar. Sein Leben wird geprägt von einer erdrückenden Mutter, einem strengen Lehrer und einer untreuen Ehefrau. Auf der Bühne sind sie aufgeblähte Riesenpuppen. In der Mauer sind sie Steine, die nach und nach gesetzt werden. Erst als der Protagonist sich in einen Diktator verwandelt und sich seinen Alter-Egos stellt, zerbröckelt die Mauer.

„The Wall“ war in den 1980er Jahren ein Riesenerfolg. Mehr als 40 Millionen Mal verkaufte sich das Album, darunter die Klassiker „Another Brick In The Wall“, „Mother“ oder „Young Lust“. Pink Floyd wurde mit der monumentalen Rockoper weltweit gefeiert. Kritiker sagten voraus, jede weitere Rockband werde an ihr gemessen.

Waters (67) ist Bassist, Sänger und der kreative Kopf von Pink Floyd gewesen. Die Band trennte sich, aber Waters ging mit „The Wall“ weiter auf Tournee. Er hat die Rechte an dem Epos. 1990 stand er mit seiner Mauer auf der Bühne am Potsdamer Platz - ein Spektakel zur Feier des wiedervereinten Berlins. Die Emotionen wirken vor den 11 000 Fans am Mittwochabend nach, es ist ein bewegender Abend. Heute kommen die ergrauten Pink-Floyd-Anhänger mit ihren Kindern.

Waters' Kunst enthält politische Nachrichten - auch wenn sie ein bisschen durcheinander wirken: Anti-Kapitalismus, Anti-Krieg und Anti-Faschismus. Auf der Leinwand sieht man, wie Symbole aus Bombern auf die Erde rieseln. Statt Hilfsgütern fallen McDonald's, Shell und die kommunistische Sichel herab.

Dann kommt der nächste Song. Sich rankende und verschlingende Blumen sind zu sehen. Als dann erotische Bilder der 1980er von Frauen folgen, die mit der Zunge auf ihren Lippen kreisen und sich ausziehen, wird nicht ganz klar, ob das als Anti-Sexismus zu verstehen ist oder als Rache am anderen Geschlecht.

Auch 30 Jahren später geht es bei Roger Waters um die Überwindung von Ängsten und um Isolation. Am Ende des ersten Aktes steckt er den Kopf durch das letzte kleine Mauerloch und ruft: „Goodbye, cruel world.“ Tschüss, böse Welt. Und mauert sich zu.