Wie kann man Katastrophen-Folgen mildern?
Bonn (dpa) - Haiti, 12. Januar 2010: Bei einem Erdbeben der Stärke 7,0 kommen 200 000 Menschen ums Leben. Fünf Wochen später wird Chile von einem noch viel heftigeren Erdbeben der Stärke 8,8 heimgesucht.
Aber hier sterben nur 562 Menschen, obwohl im Umkreis von 200 Kilometern um das Epizentrum mehr als drei Millionen Menschen leben. Die Sterblichkeit war 400 Mal niedriger. Das zeigt: Wie schlimm sich eine Katastrophe auswirkt, hängt wesentlich von den Lebensverhältnissen in der jeweiligen Region ab. An diesem Punkt setzt der Weltrisikobericht 2011 an, der am Mittwoch in Bonn vorgestellt wurde.
Der vom Bündnis Entwicklung Hilft herausgegebene Bericht zeigt auf, wo Regierungs-, Bildungs- und Organisationsstrukturen verbessert werden müssen, um das Katastrophenrisiko zu senken, das als Zusammenspiel zwischen einer Naturgefahr und der Verwundbarkeit von Gesellschaften verstanden wird. Der Bericht entstand in Zusammenarbeit mit dem Institut für Umwelt und menschliche Sicherheit der Universität der Vereinten Nationen in Bonn (UNU).
Zentrales Element des Berichts ist der Weltrisikoindex. Er stellt das Katastrophenrisiko für 173 Länder dar. Als am meisten gefährdetes Land führt der Inselstaat Vanuatu im Südpazifik mit einem Risikoindex von 32 die Liste an, gefolgt von Tonga und den Philippinen. Am wenigsten gefährdet sind demnach Malta und Katar.
Vergleichbare Arbeiten gehen nach Angaben des Herausgebers davon aus, dass eine Naturgefahr oder der Klimawandel auf eine wohlgeordnete Gesellschaft treffen. Der Weltrisikoindex geht davon aus, „dass neben der Naturgefahr insbesondere die sozialen, ökonomischen und ökologischen Faktoren, die eine Gesellschaft prägen, entscheidend dafür sind, ob eine Naturgefahr bzw. ein Naturereignis zu einer Katastrophe werden kann“.
Beispiel: die Niederlande. Sie sind wegen der steigenden Weltmeere einer relativ hohen Gefährdung (Index 7,71) ausgesetzt. Aufgrund ihrer gesellschaftlichen Situation aber stehen sie in der Liste der gefährdeten Länder nur auf Platz 69. Das relativ sichere Deutschland (Index 2,96) landet auf Platz 150.
Eine Gesamtschau auf einer Weltkarte zeige, wo die Wahrscheinlichkeit einer Naturgefahr besonders hoch sei, sagte der wissenschaftliche Leiter des Projekts Weltrisikoindex, Jörn Birkmann von der UNU. Zudem werde deutlich, in welchen Ländern besondere Schwierigkeiten bei der Bewältigung der Folgen auftreten könnten.
Das Bündnis Entwicklung Hilft will mit dem Bericht nach Angaben seines Geschäftsführers Peter Mucke einen Aufruf zu langfristiger Hilfe für die gefährdeten Länder verbinden. Die Erkenntnisse sollten auch zur Politikberatung und Medienarbeit genutzt werden, sagte er. Zudem hoffe er, dass der Bericht mit den Partnerorganisationen in den einzelnen Ländern weiterentwickelt werde. So könnten die globalen Daten auf die regionalen Verhältnisse heruntergebrochen werden.
Mit dem Weltrisikobericht wollen die Macher zudem erreichen, von der meist kurzfristigen Betrachtung von Katastrophen hin zu einer entwicklungspolitischen Herangehensweise zu kommen. Aspekte wie Vorsorge, Schutz besonders anfälliger Gruppen sowie Risikomanagement sollen in den Vordergrund rücken.