Thea Dorn: Einfach eine Mordsfrau
In ihren Krimis beseitigt die Philosophin Thea Dorn bluttriefend ihre Widersacher. Im realen Leben schlägt sie verbal zurück. Aber das genauso tödlich.
<strong>Düsseldorf. In wenigen Tagen hat sie Geburtstag. Dann wird Thea Dorn 37. Ein Alter, in dem die Mehrheit der Frauen mit ihrem Schicksal hadert: Kind oder Karriere? Für Thea Dorn hat sich die Frage nicht gestellt. Sie hat sich schon früh gegen die Mutterrolle entschieden, unter anderem weil sie denkt, "dass zwischen Mutterschaft und Moderne ein Spannungsverhältnis besteht". Aber auch aus ganz pragmatischen Gründen. "Ich habe schlicht null mütterliche Gefühle", sagt sie. Ein Satz, der sie für viele Menschen in die Nähe von Hunde-Hassern und Senioren-Quälern rückt. Dass aus dieser privaten Haltung eine öffentliche Debatte und ein Buch werden sollten, hätte sie sich nicht träumen lassen. Doch nicht zuletzt Frauen wie "Tagesschau"-Blondine Eva Herman mit ihrem "Eva-Prinzip" waren es, die diesen Schritt für Thea Dorn unumgänglich machten. Zu viel stand auf dem Spiel. Dorn schrieb "Die neue F-Klasse. Warum die Zukunft von Frauen gemacht wird", in dem sie mit elf meinungsstarken Frauen von Charlotte Roche bis Sarah Wiener über deren persönliche Rollenbilder diskutiert. In der Hoffnung, anderen Frauen mit positiven Beispielen ganz unterschiedlicher Lebenswege Mut zu machen. Die neue F-Klasse, so Dorn, das ist die neue Avantgarde, selbstbestimmte, moderne Frauen, die sich nicht über ihre Männer oder irgendwelche Rollenzuschreibungen definieren, "sondern nur durch das von ihnen individuell Erreichte und Gelebte". Denn Dorn geht es um nicht weniger als um die gesamtpolitische Verantwortung jedes Einzelnen: "Wenn es nicht genügend Frauen gibt, die ihre Freiheiten und das Anderssein in Anspruch nehmen, dann sind solche Selbstverständlichkeiten schneller weg als man zack sagen kann." Die Rolle der Frau in der Gesellschaft und die Verteidigung von Freiheit und Individualität - das sind Themen, die die "humanistische Utopistin" (Dorn über Dorn) schon lange begleiten. 1970 in Offenbach als Christiane Scherer geboren, absolvierte sie ihr Abitur mit einem Durchschnitt von 0,9, ließ sich über Adorno und Horkheimer prüfen und fand es "sehr cool, mit 18 auf der Terrasse zu sitzen und die Negative Dialektik zu lesen". Sie studiert Philosophie und versteht plötzlich die Welt nicht mehr: "Warum komme ich im Seminar nicht durch? Warum hört mich keiner? Weil ich verquast rede, weil ich nicht kompetent genug bin? Oder weil Frauen oft einfach nicht gehört werden?" Sie macht weiter. Beißt sich durch. Ihren Traum von der Karriere als Opernsängerin musste sie bereits aufgeben. Einerseits weil sie ständig Stimmprobleme hatte, andererseits weil sie immer die hochdramatischen Rollen singen wollte, ihre Stimme sich jedoch mehr fürs leichte Fach eignete. "Das ist ziemlich tragisch, wenn man Brünnhilde singen will und bei Mozarts Kammerkätzchen landet." Nein, im leichten Fach kann man sich die rothaarige Frau mit dem anmutigen Gesicht, dem hintergründigen Humor und dem messerscharfen Verstand wahrlich nicht vorstellen. Es sollte anders kommen. Ein Kopiergerät in der Berliner Uni beflügelte ihre Fantasie und brachte erstmals ihre blutrünstigen Gedanken zum Vorschein. Als Tutorin stand sie sechs Stunden in der Woche vor dem Gerät. Und während der Kopierer "sssssssssssssst" machte, schaute sie sich die Postfächer an, die sich im selben Raum befanden. Plötzlich hatte sie die Anfangsszene ihres ersten Romans vor Augen: Was, wenn ein Professor, säuberlich zerlegt und in 54 Gefrierbeuteln verpackt, in diesen Fächern liegt? Quasi als Ausweichprojekt zu ihrer Magisterarbeit entstand ihr erster Roman "Berliner Aufklärung". Ihr Pseudonym mahnt dabei an Adorno und ihre philosophischen Wurzeln. Sie steigt auf zur Philosophiedozentin und merkt bald wieder: Da stimmt was nicht mit ihrer Berufung. "Ich glaube, dass ich damals relativ verzweifelt war. Ich habe es von der ironischen Seite genommen, aber das Institut hat mich gequält, und mir war klar, irgendwo muss ich hin damit." Also doziert sie über Ethik und Moral und entwirft daheim im Überschwang verbrecherische Gegenwelten: irrational, unlogisch, äußerst blutig. In "Hirnkönigin" konserviert die Mörderin Gehirne auf ihrem Nachttisch. Ein Buch, das provoziert: Feministinnen, die Verrat an der Frauensache wittern, und Kritiker, die ihre Art von Gewaltbeschreibung nicht mögen. Sieht so aus, als habe Christiane Scherer Moralphilosophie und Ethik endgültig hinter sich gelassen. Jetzt ist sie "nur noch" Thea Dorn, Autorin und Leitfigur einer neuen F-Klasse.
Biografische Daten
Kindheit Thea Dorn wird am 23. Juli 1970 in Offenbach am Main geboren. Schon während der Schulzeit macht sie eine Gesangsausbildung.
Ausbildung Nach dem Abitur studiert sie Philosophie in Frankfurt, Wien und Berlin und unterrichtet als wissenschaftliche Mitarbeiterin der FU Berlin, Schwerpunkt Moralphilosophie.
Theater 2000 schreibt sie ihr erstes Theaterstück "Marleni - Preußische Diven blond wie Stahl". Im Herbst 2000 folgt ein Gastspiel als Dramaturgin am Schauspiel Hannover.
TV Seit Oktober 2004 moderiert sie die Bücher-Talk-Sendung "Literatur im Foyer" beim SWR.
Literatur Thea Dorn hat bislang vier Krimis veröffentlicht. Sie schreibt derzeit an ihrem fünften.