Todesflug AF 447: Piloten waren überfordert
Paris (dpa) - Der Todesflug der Air France von Rio de Janeiro nach Paris am Pfingstmontag 2009 hätte nach dem abschließenden Expertengutachten verhindert werden können.
Wie die Unfallermittler am Donnerstag mitteilten, war die Crew aber nach einer Vereisung der Sonden zur Geschwindigkeitsmessung mit der theoretisch beherrschbaren Situation überfordert. Sie habe im Cockpit der Airbus-Maschine komplett die Kontrolle verloren, heißt es im Gutachten. Die Maschine vom Typ Airbus A330-200 stürzte daraufhin mitten in der Nacht ins Meer. Alle 228 Menschen an Bord kamen ums Leben, unter ihnen 28 Deutsche. Sie waren auf dem Weg von Rio de nach Paris.
In ihren Abschlussempfehlungen schlagen die Ermittler der französischen Luftfahrtermittlungsbehörde eine bessere Pilotenschulung, aber auch Verbesserungen der Anzeigen im Cockpit des Airbus A330 vor. Die vereisungsanfälligen Sonden des Herstellers Thales waren bereits kurz nach dem Absturz in einer Unwetterzone aus dem Verkehr gezogen worden.
BEA-Chef Jean-Paul Troadec betonte bei der Vorstellung des Gutachtens, dass seine Behörde nicht die Aufgabe gehabt habe, die Verantwortlichen zu benennen. Dies sei Sache der Justiz. Eine französische Untersuchungsrichterin ermittelt bereits seit langem in dem Fall, sie hat allerdings noch kein Anklageverfahren eingeleitet.
In ihrem Bericht wollten sich die Ermittler nicht konkret dazu äußern, ob die Fehler der Piloten auf unzureichende Schulung oder Fahrlässigkeit zurückzuführen waren. Air France wies jegliche Schuldzuweisung in Richtung des Unternehmens oder der Piloten zurück. Die Crew habe in einer außergewöhnliches Situation ihre Aufgaben bis zum Schluss erfüllt, hieß es in einer ersten Stellungnahme. Die äußeren Umstände wie das Alarmverhalten der Instrumente hätten eine bessere Reaktion verhindert.
Bei den Ermittlungen zur Absturzursache stützten sich die BEA-Experten vor allem auf die Auswertung der Flugdatenschreiber. Sie waren im Frühjahr des vergangenen Jahres nach mehreren vergeblichen Suchaktionen aus rund 4000 Metern Tiefe geborgen worden. Der Flugdatenschreiber registrierte zahlreiche Parameter wie Höhe und Neigungswinkel der Maschine sowie Triebwerkseinstellungen. Der Stimmenrekorder nahm während des Flugs die Gespräche und Geräusche im Cockpit auf.
Bis zum Fund der Flugdatenschreiber war lediglich klar gewesen, dass sich wegen einer Vereisung der Sonde zur Geschwindigkeitsmessung der Autopilot abgeschaltet hatte. Das hatte die Auswertung der vom Flugzeug automatisch versendeten Wartungsmeldungen ergeben. Der kurzfristige Ausfall einer sogenannten Pitot-Sonde konnte allerdings nicht eine solche Katastrophe verursachen, betonten die Experten bereits in der Vergangenheit. Die Daten der Flugschreiber ergaben, dass die Piloten vor allem auf anschließende Warnungen über einen Strömungsabriss an den Tragflächen - im englischen Fliegerjargon „stall“ genannt - falsch reagiert hatten. Dies ließ den Jet schnell an Höhe verlieren und schließlich abstürzen.
Der Flugzeughersteller Airbus kündigte in einer ersten Stellungnahme eine ausführliche Analyse des Gutachtens an. Das Unternehmen werde jede Möglichkeit ergreifen, die Flugsicherheit weiter zu verbessern, hieß es.
Angehörige der Opfer aus Deutschland äußerten dagegen Zweifel an der Unabhängigkeit der Experten. „Diese Untersuchung ist abgestellt worden auf Pilotenfehler - ohne Berücksichtigung der tatsächlichen Begebenheiten“, kommentierte Barbara Crolow von der Hinterbliebenenvereinigung Hiop AF 447. Es sei ein Skandal, dass Frankreich die Untersuchung trotz der Vielzahl der betroffenen Nationen ganz alleine durchgeführt habe. Der französische Staat sei schließlich an Airbus beteiligt.
Der Hiop-Vorsitzende Bernd Gans äußerte sich ähnlich. Seiner Meinung nach sei es der BEA darum gegangen, die Luftfahrtindustrie nicht allzu sehr zu belasten, sagte der 71-Jährige der dpa. Er und viele andere hofften nun auf die Ermittlungen der französischen Justiz.