Wolkenkratzer heimlich von britischem Abenteurer bestiegen

Europas höchster Wolkenkratzer steht in London. Abenteurer Bradley Garrett hat „The Shard“ heimlich bestiegen. Ein Gespräch.

London. Höher hinaus geht’s derzeit nicht mehr: Mit 311 Metern bis zur Spitze ist am Donnerstag der größte Wolkenkratzer Westeuropas an der Themse eingeweiht worden. Besucher haben zu „The Shard“, der Glasscherbe, wie der Bau wegen seiner Form genannt wird, zwar erst ab dem kommenden Jahr Zutritt. Doch Bradley Garrett, Adrenalin-Junkie und urbaner Entdecker, hat den Gipfel der britischen Architektur schon heimlich bestiegen.

Herr Garrett, neben dem Kranführer sind Sie einer der ganz wenigen, die den neuen Wolkenkratzer von oben kennen.

Bradley Garrett: Absolut überwältigend! Es ist so hoch, dass man die Details am Boden gar nicht mehr erkennt. Einzelne Busse oder Taxis sind zu Lichtstreifen verschwommen. Die Stadt unten sah aus wie ein gigantischer Stromschaltkreis. Es war sehr, sehr still. Vögel gibt’s so weit oben auch nicht. Man muss sich den Ausblick wie beim Landeanflug vorstellen — nur kälter.

Sie sind in einer Dezembernacht heimlich mit Freunden auf die Glasscherbe geklettert. Warum?

Garrett: Wenn man tagtäglich auf einen Berg blickt, dann hat man doch irgendwann das Verlangen, auch hinaufzusteigen. Mit Betonbergen in der Stadt ist es genauso: Aber sie dürfen nicht hinauf! Dabei wäre es ein Leichtes gewesen, schon während der Bauphase Zugang zur „Shard“ zu gewähren.

Wie sind Sie in die bestbewachte Baustelle hineingekommen?

Garrett: Wir haben uns von einem Gerüst auf einen Holzsteg geschwungen, sind hinter dem einzigen Sicherheitsbeamten vorbeigelaufen und haben dann die Treppe bis ganz nach oben genommen. Dort war alles offen. In der Kabine des Kranführers steckte sogar noch eine Ausgabe der „Sun“ vom Morgen

Gab es Ärger?

Garrett: Nein, es war ja kein Einbruch. Wir machen auch nichts kaputt und bringen uns nicht in Gefahr. Eine Baustelle wie diese ist sehr sicher. Das Management verkündete später, dass es weitere Sicherheitskräfte einstelle.

Hatten Sie keine Höhenangst?

Garrett: Adrenalin ja, Angst nein. Beim Klettern in der Natur ist mir oft mulmiger. Auf der „Glasscherbe“ haben andere viel verrücktere Sachen angestellt — Base-Jumping mit Fallschirmen etwa.

Sie klettern seit vielen Jahren überall auf der Welt heimlich auf Gebäude. Was treibt Sie an?

Garrett: Ich bin Geograph und sehe die Stadt wie ein System aus Schichten: Weil die Metropole ständig wächst und sich verändert, werden ältere Dinge vergraben — und vergessen.

Was sagen Sie denn zur Aussichtsplattform, die im Februar 2013 auf den Etagen 68 bis 72 eröffnen?

Garrett: Ein Ticket kostet knapp 25 britische Pfund (umgerechnet etwa 31 Euro; Red). Da wird für viele der Preis zur Zugangsbarriere! Deshalb stellen wir auch Fotos der von uns „gehackten“ Orte ins Netz. So bekommen zumindest auch jene ein 360-Grad-Gefühl für die Orte, die sich einen Besuch nie werden leisten können.

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