Tom Bartels: „Diesmal bin auch ich nervös“
Tom Bartels kommentiert das EM-Finale und findet: „Fußball in Deutschland ist selbsterklärend.“
Wien. Am Sonntag hören ihm 30 Millionen zu: Tom Bartels wird das EM-Finale in der ARD kommentieren. Zwei Tage vorher sitzt er gelassen in einem Straßencafé am Wiener Rennweg. Seine einzige Sorge: Auf dem Weg zum Halbfinale zwischen Spanien und Russland ist er vom Platzregen überrascht und klatschnass geworden. Eine Erkältung, die auf die Stimme schlägt - das wäre mindestens so schlimm wie ein Bildausfall.
"Spüren Sie, welch großer Tag vor Ihnen liegt?" "Ja," sagt Bartels, "vor allem an den vielen Interviewanfragen. Dabei ist nicht der Reporter der Mittelpunkt, sondern das Spiel. Ich bin nicht so wichtig." Rudi Michel, Ernst Huberty, Rolf Kramer, Eberhard Figgemeier, Gerd Rubenbauer - Bartels kennt seine berühmten Vorgänger alle, und kann sie sogar nachahmen.
Als Junge hat er zu Hause Spiele kommentiert, als säße er vor dem Mikro. "Für mich gab es nur Sport, ich habe alles verfolgt und angeschaut, Statistiken geführt." Mit Leidenschaft hätten er und seine Kumpels in Melle das Kommentieren geübt: "Samstag ging es nach der ,Sportschau’ auf den Bolzplatz, da haben wir die Spielzüge aus der Bundesliga nachgespielt und kommentiert. Es war ein Traum, unrealistisch und ganz weit weg."
Doch nach dem Studium hat sich sein Jugendtraum ganz schnell erfüllt: Praktikum beim WDR, erste TV-Jobs. Von Marcel Reif für RTL entdeckt, später bei Premiere und nun in der ersten Reihe für die ARD. Am Mikrofon gilt er als ruhig und fachkundig, ist kein Marktschreier.
Bartels weiß natürlich, dass Sonntag auch viele vor dem Fernseher sitzen, die sich im Fußball nicht ganz so gut auskennen. Besondere Rücksicht will er nicht darauf nehmen: "Es wäre falsch, nun bei Adam und Eva, sprich bei Abseits und Ecke anzufangen. Fußball ist in Deutschland selbsterklärend. Wichtiger ist, dass der Reporter den Fußball nicht nur aus der Theorie kennt. Es gibt Dinge, die man nur erkennt und versteht, wenn man selbst mal gespielt hat."
Bartels hat gespielt, bei Tura Melle in der fünfthöchsten Amateurklasse. Ebenfalls in der Mannschaft war Gerrit Meinke, der später Profi in Osnabrück, Bielefeld und Paderborn war. Heute ist er Finanzmanager beim SC Paderborn - und seit vier Jahren Assistent seines Jugendfreundes Bartels.
Wozu braucht ein Reporter einen Assistenten? "Er ist mein wichtigster Kollege, mein Partner. Wir kennen uns so lange, haben rein fußballerisch dieselbe Blutgruppe und verstehen uns ohne Worte. Vor dem Spiel hilft mir Gerrit beim Sammeln der Infos, während des Spiels ist er meine Absicherung, meine Kontrollinstanz: Ich habe ihn per Kopfhörer 90 Minuten auf dem Ohr."
Das Interview hat der Stimme augenscheinlich nicht geschadet, zwei Gläser schwarzer Tee mit Honig haben das Erkältungsrisiko gemindert. Abschlussfrage. Herr Bartels, ganz ehrlich: Sind Sie nervös? "Ich bin normalerweise die Ruhe selbst, aber das ist doch etwas Besonderes. Ja, ich bin nervös. Und ich freue mich."