Ungereimtheiten häufen sich
Die Ermittler stoßen auf immer mehr Rätsel. War der Täter wirklich ein Rechtsradikaler?
Passau. "Viele Grüße vom nationalen Widerstand. Du linke Bullensau, du ärgerst uns nicht mehr! Du trampelst nicht mehr auf den Gräbern unserer Kameraden herum!" An diese hasserfüllten Sätze erinnerte sich das Opfer. Sie ließen die Messerattacke auf Alois Mannichl am 13.Dezember so schnell so eindeutig erscheinen.
Offensichtlich hatte ein Rechtsradikaler den Passauer Polizeidirektor vor seiner Haustür niedergestochen, weil dieser seit Jahren gegen die rechte Szene vorgegangen war. Die Aufklärung dürfte also nicht lange auf sich warten lassen. Doch stattdessen häufen sich knapp vier Wochen später die Ungereimtheiten.
"Irgendwas passt da nicht zusammen", zitiert die "Süddeutsche Zeitung" namentlich nicht genannte "erfahrene Ermittler". Diese äußern erhebliche Zweifel an den Aussagen des Polizeichefs und fragen, ob wirklich ein Neonazi die Tat begangen hat.
So geben Tatbeschreibung und Tatwaffe einige Rätsel auf. Mannichl hatte gesagt, beim Öffnen der Haustür habe er einem Mann mit hasserfülltem Gesichter gesehen, der ein Messer gezückt habe. Später stellte sich heraus, dass dieses Messer aus Mannichls Haushalt stammt.
Bis heute ist nicht klar, wo es gelegen hat. Die Soko Fürstenzell erklärte zunächst, der Täter habe das Messer am Tatort vorgefunden. Es gehöre zu dem Brauch, nach dem Besucher sich im Advent ein Stück Lebkuchen von der Haustür abschneiden dürfen. Dann hieß es, das Messer habe auf der Gartenseite des Hauses gelegen. Doch woher wusste der Täter das? Nachbarn und seit Freitag auch Mannichl gaben an, das Messer habe dort seit einem Punsch-Umtrunk drei Tage vorher gelegen.
Möglicherweise hat der Täter das Messer also erst entdeckt, als er mit Mannichl an der Tür sprach. Dann hätte das Gespräch aber länger dauern müssen, als vom Opfer angegeben. Die "Süddeutsche Zeitung" zitiert einen Ermittler: "Ein solches Setting spricht sonst für eine Beziehungstat." Der Art der Verletzung könne auf eine "sehr persönliche Rache" hindeuten.
Das Haushaltsmesser hinterlässt aber noch mehr Fragen. Denn es finden sich daran weder DNA-Spuren eines Täters noch Wischspuren von Handschuhen. Die DNA-Spuren, die isoliert wurden, stammen nicht von Fremden.
Die Ermittler wundern sich auch, dass der Polizeidirektor - ein Mann mit jahrzehntelanger Berufserfahrung - sich zwar die Äußerungen des Täters merkt, aber ihn nur vage beschreiben kann: 1,90 Meter groß, rundes Gesicht, Glatze. Mannichl sagt dazu: "Da kann ich nur lachen. Wenn es ums blanke Überleben geht, denkt man nicht darüber nach, welche Schuhgröße der Täter hat."
Laut "Süddeutscher Zeitung" von Samstag spricht auch der leitende Oberstaatsanwalt Helmut Walch von "Merkwürdigkeiten". Das gelte für die fehlenden Spuren auf dem Messer und auch für die beiden Phantombilder, die nach Aussagen einer Nachbarin gefertigt wurden.
Die Polizei glaubt nun, dass es die Männer mit den auffälligen Tätowierungen - grüne Schlange hinter dem Ohr, Kreuz im Gesicht - in der rechten Szene gar nicht gibt. Sie wären sonst schon längst gefunden. Ein Ermittler: "Solche Leute kennt man." Walch nennt die Phantombilder "unbrauchbar". Er klagte auch über das Schweigen der Nachbarn. Viele seien erst auf eine "scharfe zweite Befragung" hin zu Aussagen bereit gewesen.
All das würde die ungewöhnliche Entscheidung erklären, die Leitung der Soko von Passau ans Landeskriminalamt zu verlegen. Kollegen sagen, die Ermittler - und mit ihnen Politiker bis hinauf zu Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) - hätten sich zu früh in Richtung Rechtsextreme festgelegt und andere Spuren dadurch eventuell verwischt.
Die Passauer Polizisten hatten ihrerseits schon im Dezember in der Lokalzeitung "Am Sonntag" geklagt, sie könnten Ansätze jenseits der Theorie vom rechtsradikalen Anschlag allenfalls intern diskutieren: "Wie haben es schließlich mit unserem eigenem Chef zu tun."
Aktuell sind auch noch Briefe mit Polizei-Logo aufgetaucht, in denen der Fall als Familiendrama dargestellt wird. Oberstaatsanwalt Helmut Walch sagte, diese seien "schlichtweg gefälscht".