Unglück am Mont Blanc: Retter rechnen nicht mit rascher Bergung der Lawinenopfer
Für die fünf Österreicher und drei Schweizer gibt es keine Hoffnung mehr. Die Rettungskräfte kommen nicht an den Unfallort, weil die Lawinengefahr noch extrem hoch ist.
Chamonix/Annecy. Zwei Tage nach dem Abgang einer riesigen Lawine in den französischen Alpen rechnen die Rettungskräfte nicht mit einer raschen Bergung der acht verschütteten Bergsteiger. Es gebe keine Hoffnung mehr, die fünf Österreicher und drei Schweizer lebend zu finden, sagte ein Sprecher der Gendarmerie in Chamonix am Montag.
Das Gebiet an der Nordseite des Mont Blanc du Tacul, in der sich in der Nacht zum Sonntag die rund 200 Meter lange und 50 Meter tiefe Lawine gelöst hatte, sei zudem von Gletscherbrüchen umgeben und somit "extrem gefährlich", sagte der Sprecher. "Wir können dort keine Rettungskräfte einsetzen und deren Leben auf's Spiel setzen".
Dem Sprecher zufolge sollten am Montag erneut Hubschrauber das Gebiet überfliegen, wo die Bergsteiger unter den Eis- und Schneemassen verschüttet und rund 1500 Meter weit mitgerissen wurden. Die Leichen würden vermutlich aber erst mit der Schneeschmelze zu Tage kommen. "Dann werden wir sie bergen".
Es sei auch nicht auszuschließen, dass einige der verunglückten Männer in Gletscherspalten steckten. Den Angaben zufolge wurden am Sonntag Rucksäcke und andere Gegenstände der Verschütteten gefunden. Diese sollen nun ihren Angehörigen gezeigt werden. Einzelheiten über die Identität der Vermissten gab die Gendarmerie zunächst nicht bekannt.
Die Lawine hatte in der Nacht zum Sonntag in rund 3600 Meter Höhe mindestens 16 Bergsteiger mit sich gerissen. Vier Franzosen und vier Italiener, darunter eine Frau, wurden verletzt geborgen. Zwei zunächst ebenfalls vermisste Italiener waren allein in ihre Unterkunft zurückgekehrt. "Eine Wand aus Eis ist auf uns zugekommen", berichtete der Italiener Marco Delfini, einer der Verletzten, dem Nachrichtensender LCI. "Wir wurden 200 Meter mitgerissen."
Die Lawine habe keinerlei Lärm gemacht, erinnert sich der 30 Jahre alte Franzose Nicolas Duquesne, der mit einem Knöchelbruch und Blutergüssen davongekommen ist. Der Bergführer habe noch gerufen "Lauft, lauft schnell", doch da sei er schon von den Schneemassen erfasst worden. "Wir waren mittendrin, wir mussten durch den Schnee regelrecht schwimmen, um uns zu retten", sagte der Franzose, der mit seinem Handy die Rettungskräfte alarmiert hatte.
Ein Mitglied der Rettungsmannschaften beschrieb die Szene als "apokalytisch".Die französische Innenministerin Michèle Alliot-Marie hatte am Sonntag gesagt, es gebe "keinerlei Chance", die Verschütteten noch lebend zu bergen. Es sei auch nicht auzuschließen, dass außer den acht Vermissten noch andere Opfer von der Lawine mitgerissen wurden. "Es ist extrem schwierig, mit Sicherheit zu sagen, wie viele Menschen verschüttet wurden".
Es handelte sich um das bislang schwerste Lawinenunglück in den französischen Alpen. Seit Beginn der Sommersaison sind in den Alpen bereits rund 90 Bergsteiger ums Leben gekommen - 30 in Frankreich, die übrigen in der Schweiz und in Italien. Experten zufolge sind die Gletschermassen wegen der Erderwärung besonders instabil geworden, was das Lawinenrisiko erheblich vergrößert hat.