Vergewaltiger in Indien schuldig gesprochen
Neu Delhi (dpa) - Die brutalen Peiniger einer 23 Jahre alten Studentin in Indien sind am Dienstag von einem Sondergericht in Neu Delhi wegen Mordes schuldig gesprochen worden.
Die vier Angeklagten hatten laut Urteil die junge Frau gemeinsam mit zwei weiteren Tätern in einem Bus entführt, vergewaltigt und mit einer Eisenstange gefoltert. Daran starb sie zwei Wochen später. Die 19 bis 26 alten Männer seien für „den kaltblütigen Mord des wehrlosen Opfers“ verantwortlich, heißt es im Urteil. Richter Yogesh Khanna wird das Strafmaß - entweder lebenslang oder die Todesstrafe - in den kommenden Tagen verkünden. Zwei Verteidiger der Männer kündigten Berufung an.
Das Urteil stützt sich vor allem auf die Aussage des Freundes des Opfers, der mit im Bus war und dort zusammengeschlagen wurde, sowie auf die Erklärung der Studentin auf dem Sterbebett. Ihre Familie hatte bei der Urteilsverkündung Tränen in den Augen. Sie forderten einmal mehr den Strang für die Täter. „Die einzig mögliche Strafe für diese Männer, die solch ein brutales, abscheuliches Verbrechen begangen haben, ist die Todesstrafe. Wir werden nichts anderes akzeptieren, auch keine lebenslange Haftstrafe“, sagte der jüngere Bruder. Nur so könnten sie mit ihrem Tod abschließen.
Ein ebenfalls an der Tat beteiligter Jugendlicher war Ende August zur Höchststrafe von drei Jahren Jugendarrest verurteilt worden. Ein sechster Angeklagter, der als Anführer der Bande galt, wurde unter noch ungeklärten Umständen erhängt in seiner Gefängniszelle gefunden. Das äußerst grausame Verbrechen an der Studentin am 16. Dezember hatte ganz Indien aufgeschreckt und zu wochenlangen Protesten gegen Vergewaltigungen und Demontrationen für mehr Frauenrechte geführt. Am Dienstag standen etwa zwei Dutzend Demonstranten vor dem Gerichtsgebäude, einige hatten Galgenstricke um den Hals.
„Frauen werden durch dieses Urteil in ihren Rechten bestärkt“, sagte Ranjana Kumari, Direktorin des Zentrums für Sozialstudien. „Sie werden jetzt auf die Gerichte schauen und wissen, dass sie Gerechtigkeit erhalten.“ Das meint auch Ambika Soni von der regierenden Kongresspartei. „Dieses Urteil soll eine Nachricht der Abschreckung sein an alle, die solche Verbrechen begehen“, sagte sie vor TV-Kameras. Die Täter sollten erzittern.
Die nun verurteilten Männer - ein Taxifahrer, ein Hilfsschaffner, ein Fitnessstudio-Mitarbeiter und ein Obstverkäufer - hatten ihre Schuld bestritten. Erst gegen Ende des Prozesses erklärte der 26 Jahre alte Taxifahrer laut seinem Anwalt, er habe den Bus gelenkt, aber von den Vorgängen auf der Rückbank nichts mitbekommen. Zwei der Männer sagten aus, sie hätten zum Tatzeitpunkt ein Konzert besucht, ein anderer will in seinem Dorf in Bihar gewesen sein.
Doch tatsächlich fuhren sie zum Spaß mit einem weißen Bus, der normalerweise Kinder zur Schule bringt, durch die indische Hauptstadt. Wie weiter aus dem Urteil hervorgeht, lockten sie an einer Haltestelle das Opfer und ihren Freund an Bord. Die beiden hatten gerade einen Film gesehen und waren auf dem Nachhauseweg. Die Männer gaben an, in ihre Richtung zu fahren, doch als die Türen sich schlossen, fielen sie über die beiden her.
Verteidiger A. P. Singh glaubt, dass die Entscheidung auf politischen Druck hin fiel, irgendjemanden zur Rechenschaft zu ziehen. „Diese Männer haben weder Macht noch Geld, keine politischen Muskeln oder die Unterstützung der Bevölkerung“, sagte er. Tatsächlich waren fünf der sechs Täter Zugezogene, die aus bitterarmen Verhältnissen ihrer Dörfer in die Millionenmetropole kamen. Vier von ihnen lebten zusammen in einem Slum.
Die Gruppenvergewaltigung im Dezember war die erste einer ganzen Reihe solcher Verbrechen, über die in den indischen Medien ausgiebig berichtet wurde. Erstmals begann eine gesellschaftliche Debatte über das weit verbreitete Problem, und viele Menschen nahmen erstmals das Wort „Vergewaltigung“ in den Mund. Der Nachrichtensender NDTV kommentierte am Dienstag: „Sie starb, aber weckte die Nation auf.“
Der landesweite Aufschrei zwang die Regierung dazu, die Haftstrafen für sexuelle Verbrechen zum Teil zu verdoppeln. Die Polizei, die oft Vergewaltigungsopfer fortschickte, nimmt jetzt mehr Fälle auf und versucht, mehr Frauen einzustellen. Es gibt mittlerweile spezielle Notrufnummern für Frauen und Schnellgerichte, die sich mit Sexualstraftaten befassen.