Verteidiger scheitern mit Angriff auf Silikonbusen-Prozess

Marseille (dpa) - Weltweit bangen Frauen mit Brustimplantaten aus Billig-Silikon um ihre Gesundheit. Vor drei Jahren flog der Skandal auf, nun beginnt der Prozess - der TÜV Rheinland tritt als Nebenkläger auf.

Zum Auftakt des Strafprozesses um Brustimplantate aus Billig-Silikon sind Verteidiger der fünf Angeklagten mit ihrem Frontalangriff auf das Verfahren gescheitert. Die Anwälte hatten eine Annullierung des Prozesses gefordert, der den weltweiten Skandal um defekte Silikonbusen aufarbeiten soll. Im südfranzösischen Marseille stehen seit Mittwoch der Gründer des mittlerweile insolventen Herstellers Poly Implant Prothèse (PIP), Jean-Claude Mas, sowie vier seiner früheren Mitarbeiter vor Gericht.

Den Angeklagten drohen wegen Betrugs und schwerer Verbrauchertäuschung bis zu fünf Jahre Haft. Mas hat die Vorwürfe vor Ermittlern bereits eingeräumt. Das Industriesilikon, das seine Firma PIP für die Implantate verwandte, soll rund zehnmal billiger gewesen sein als das offiziell zugelassene Material.

Das Verfahren in Marseille gilt als eines der größten in der französischen Geschichte. Bei der Staatsanwaltschaft Marseille gingen mehr als 5000 Anzeigen geschädigter Frauen ein, mehrere Hundert reisten zum Prozess an. Auch einige Deutsche beteiligen sich nach Angaben einer Berliner Anwaltskanzlei als Nebenkläger.

Verteidiger der Angeklagten begründeten ihren erfolglosen Antrag auf Annullierung des Verfahrens unter anderem damit, dass die Ermittlungen zu Straftatbeständen wie Körperverletzung und Insolvenzbetrug noch laufen. Deshalb müsse es eventuell weitere Prozesse geben, kritisierten sie. Der Beginn der Vernehmungen wird erst in den kommenden Tagen erwartet.

Weltweit haben Chirurgen Schätzungen zufolge Hunderttausende Silikonkissen des französischen Unternehmens implantiert. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) geht davon aus, dass mehr als 5000 Frauen in Deutschland Implantate von PIP erhalten haben. „Bisher haben wir 1445 Meldungen zu Explantationen von mit PIP-Silikon gefüllten Implantaten erhalten“, sagte ein BfArM-Sprecher am Mittwoch. Rund ein Viertel der Implantate war nach ersten Erhebungen defekt.

Der Skandal war erst entdeckt worden, nachdem sich Hinweise auf eine erhöhte Reißanfälligkeit der Produkte gehäuft hatten. Zudem gab es 2009 einen anonymen Hinweis auf den Betrug. Bis heute ist unklar, seit wann genau PIP nicht zugelassenes Silikon verwendete. In den Vernehmungen widersprachen sich die Angeklagten.

Neben vielen betroffenen Frauen ist der TÜV Rheinland an dem ersten Strafprozess als Nebenkläger beteiligt. Der deutsche Prüfdienstleister war für die Zertifizierung der Implantate und des PIP-Qualitätssicherungssystems zuständig. Er wirft PIP vor, sämtliche Hinweise auf die Verwendung nicht zugelassenen Silikons systematisch verschleiert zu haben.

„Der TÜV hat mit Dutzenden Mitarbeitern auf allen Ebenen gesprochen. Überall wurde gelogen“, sagte TÜV-Anwalt Olivier Gutkès am Mittwoch in Marseille. Opfer kritisieren die Nebenklägerrolle des TÜV. Sie werfen ihm unzureichende Kontrollen vor und hätten ihn am liebsten auf der Anklagebank gesehen.

Schadenersatz können die Opfer von PIP-Gründer Mas vermutlich nicht erwarten. Zum Prozessauftakt gab der 73-Jährige an, Rentner zu sein und lediglich 1800 Euro im Monat zur Verfügung zu haben. Etliche Opfer buhten ihn aus.

Der Verdacht eines möglichen Zusammenhangs zwischen PIP-Brustimplantaten und Krebserkrankungen ist bislang nicht bewiesen. Das nicht zugelassene Silikon kann Entzündungen auslösen, wenn es durch einen Riss austritt. Länder wie Deutschland und Frankreich haben Betroffenen in einer beispiellosen Aktion empfohlen, sich ihre Silikonkissen vorsichtshalber entfernen zu lassen.

Ein Befangenheitsantrag gegen das Gericht in Marseille war kurz vor Prozessbeginn gescheitert. Der von Verteidigern eingeschaltete Kassationshof in Paris erklärte sich für nicht zuständig. Die mündliche Verhandlung des am Mittwoch begonnenen Verfahrens soll bis zum 17. Mai dauern. Ein Urteil wird gegen Ende des Jahres erwartet.

Die Gesellschaft Ästhetischer Chirurgen Deutschland (GÄCD) zeigte sich zu Verhandlungsauftakt zufrieden. „Jetzt ist erst einmal wichtig, dass die Betroffenen die Täter und ihre Beweggründe kennenlernen. Aber das kann nur der Anfang sein“, kommentierte Generalsekretär Ziah Taufig. Die Patientinnen hätten nach GÄCD-Auffassung Anspruch auf eine finanzielle Wiedergutmachung. Zu Vorwürfen gegen Ärzte äußerte er sich nicht. Nach Auffassung von Klägeranwälten könnten auch Klagen gegen Operateure Erfolg haben.