Verworren: Opfer feierten doch keine Geburtstagsfete

Bei der Feier unmittlebar vor den Mafia-Morden in einem Restaurant hat es sich laut Polizeiangaben um ein Aufnahmeritual in die 'Ndrangheta gehandelt.

Rom/Duisburg. Rund zwei Wochen nach den Mafiamorden in Duisburg verfolgen die Ermittler eine erste heiße Spur. Sie werde als „vielversprechend“ eingeschätzt und sei ein Ergebnis der bisherigen Ermittlungen in Deutschland, sagte ein Sprecher der Duisburger Polizei am Donnerstag. Zu Festnahmen sei es in diesem Zusammenhang jedoch noch nicht gekommen. Unterdessen holte die italienische Polizei zu einem großen Schlag gegen die kalabrische Mafia- Organisation 'Ndrangheta aus.

Insgesamt 500 Beamte suchten am Donnerstag in San Luca nach 43 mutmaßlichen Mafiosi, gegen die Haftbefehl erlassen wurde. Bis zum Nachmittag seien 32 Verdächtige festgenommen worden, berichtete die Nachrichtenagentur Ansa. Die Gesuchten sollen in Zusammenhang mit der blutigen Familienfehde in dem Ort stehen, die nach Meinung der Behörden wahrscheinlich Auslöser für die Bluttat mit sechs Toten im Ruhrgebiet gewesen ist. Jedoch sei keiner der für die Duisburger Mafiamorde verantwortlich gemachten Täter unter den Festgenommenen.

Inwieweit die Festnahmen in Italien konkrete Hinweise für die deutschen Ermittler liefern könnten, werde derzeit noch überprüft, sagte der Duisburger Polizeisprecher. Bei den Durchsuchungsaktionen seit der Bluttat seien bereits zahlreiche Gegenstände sichergestellt worden, die derzeit ausgewertet würden. In mehreren Fällen hätten die Ermittler Wohnungen vorgefunden, die fluchtartig verlassen worden seien. Teilweise hätten sich auf den Tischen noch halb gefüllte Gläser und Flaschen befunden. Daneben seien Briefumschläge mit Bargeld entdeckt worden.

Nach neuen Erkenntnissen sei die Feier in den Räumen eines Duisburger Restaurants unmittelbar vor der Tat keine Geburtstagsparty gewesen, sagte der Sprecher. Davon sei man zunächst ausgegangen, weil eines der Opfer am Tattag Geburtstag gehabt habe. Bei der Feier habe es sich vielmehr um ein Aufnahmeritual in die 'Ndrangheta gehandelt. Bei einem der Opfer sei ein entsprechendes Beweisstück in Form eines angebrannten Bildes des Schutzpatrons der italienischen Polizei, des heiligen Gabriels, gefunden worden. Dies ist nach Auskunft der italienischen Polizei Teil eines Aufnahmerituals der 'Ndrangheta.

Bei der Aktion in San Luca hatten Polizei und Carabinieri am frühen Morgen die 4200-Seelen-Gemeinde umstellt, um mögliche Fluchtversuche zu vereiteln. Hubschrauber kontrollierten die Operation aus der Luft. Drei der Gesuchten wurden in einem Bunker entdeckt, der unter einem Wohnhaus mitten im Zentrum des Dorfes eingerichtet worden war. Spezialeinheiten öffneten das Versteck mit Presslufthämmern, hieß es. Auch mehrere Frauen wurden festgenommen.

Den Mafiosi werde unter anderem Mord, Waffenschmuggel und Zugehörigkeit zu einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen. Ermittlungen ergaben, dass sie fast ausschließlich über öffentliche Telefone miteinander kommunizierten, um Abhöraktionen der Polizei auszuweichen.

Bei der Aktion wurde unter anderem nach den Brüdern von zwei der Duisburger Opfer gefahndet. Außerdem sollen die mutmaßlichen Hauptverantwortlichen für die Ermordung von Maria Strangio - Ehefrau des Clan-Chefs Giovanni Nirta - gefasst worden sein. Sie war im vergangenen Dezember erschossen worden. Rache für diesen Mord könnte nach Meinung der Behörden das Motiv für die Tat in Duisburg gewesen sein. Bei der Bluttat in Duisburg waren in der Nacht zum 15. August vor dem italienischen Restaurant „Da Bruno“ sechs Italiener im Alter zwischen 16 und 38 Jahren erschossen worden. Fünf von ihnen stammten aus San Luca.

Die Aktion am Donnerstag sei das Ergebnis komplexer Ermittlungen, die bereits nach dem Mord an Maria Strangio eingeleitet wurden, zitierte die Nachrichtenagentur ADN Kronos Polizeichef Antonio Fiano. Der oberste Antimafia-Staatsanwalt Pietro Grasso erklärte, jetzt gebe es die Hoffnung, dass die Familienfehde endlich beendet werden kann. Der blutrünstige Streit schwelt bereits seit 16 Jahren zwischen den Familien Strangio-Nirta und Vottari-Pelle-Romeo und hat bereits fast 20 Todesopfer gefordert.

Nun gelte es, „die hervorragende Zusammenarbeit mit der deutschen Polizei fortzusetzen, um so die Geschäfte der 'Ndrangheta in Deutschland zu beenden und die Auftraggeber und Täter von Duisburg der Justiz zu übergeben“, sagte der italienische Innenminister Giuliano Amato. Noch am Donnerstag wollten sich deutsche Ermittler in Italien mit den kalabrischen Polizeichefs treffen, um sich über die Aktion in San Luca zu informieren.

Die 'Ndrangheta - der kalabrische Arm der Mafia - gilt heute mit einem geschätzten Jahresumsatz von 35 Milliarden Euro als eine der mächtigsten Mafiaorganisationen in Europa. Sie ist vor allem im Drogenhandel aktiv. Als 'Ndrangheta-Hochburg gilt seit jeher das Örtchen San Luca.