Wacken: Kopfüber in den Heavy-Metal-Zirkus

In Wacken verwandeln Tausende Festivalbesucher den Ort in die Hauptstadt der extralauten Musik.

Wacken. In Wacken geht „Mutti“ ein Geschäft durch die Lappen. „Voriges Jahr hat sie hier noch Mettbrötchen verkauft. Wo ist Mutti hin?“, fragt sich Vincent Göbel. Der 30-Jährige mit dem rasierten Kopf trägt schwarze Mönchskutte und Sonnenbrille. Kein Outfit, das Mütter in der Regel gutheißen. Aber „Mutti“ ist auch nicht Göbels Mutter, sondern eine Wackenerin. Eine von vielen, die sich während des Wacken Open Airs (WOA) mit einem Stand etwas Geld dazu verdienen — nur heute noch nicht, zwei Tage vor dem Start. Also keine Mettbrötchen für Göbel. Macht nichts — Bier ist ja noch genug da.

Das 1800-Einwohner-Dorf erlebt derzeit den Einzug der „Metalheads“. Rund 75 000 werden zum 24. Wacken Open Air erwartet — laut Veranstaltern das größte Metal-Festival der Welt. Schwarz dominiert in den Straßen, hier und da schlängelt sich ein Traktor an den meist langhaarigen Gästen vorbei. Wacken ist Provinz. Doch Anfang August ist alles anders, dann strömt die weltweite Metal-Szene in den kleinen schleswig-holsteinischen Ort. Die Ur-Wackener haben sich damit arrangiert — sie nutzen es sogar.

Einer der Profiteure ist Torge, elf Jahre alt. Er sitzt in einem Tretauto, hinten hat er einen Anhänger montiert. „Fünf Euro geben die meisten“, sagt er. Der Knirps transportiert Bierdosen oder Campingausrüstung vom Ortskern rüber zum Festivalgelände. Manchmal lädt er auch einen Metal-Fan ein, dann geht es langsamer voran. Torge trägt ein T-Shirt, auf dem „50 Prozent Mama, 50 Prozent Papa, 100 Prozent Wacken“ zu lesen ist.

Einer der beiden Festival-Gründer, Thomas Jensen, sitzt derweil auf dem Festivalgelände. 1990 rief er das Wacken Open Air mit seinem Kumpel Holger Hübner aus einer Bierlaune heraus ins Leben. Heute ist Jensen eine Art Bürgermeister von „Metal Town“. Jensen nippt an einem Becher, um ihn herum werden die letzten Kabel verlegt. „Hier weiß jeder, was er zu tun hat“, sagt der 47-Jährige beruhigt. Am Donnerstag soll es auf dem Festivalgelände offiziell los gehen. In Wacken selbst hat der Heavy-Metal-Zirkus längst begonnen.