Familien graben in Trümmern nach ihren Angehörigen, Menschen schlafen teils ohne Überdachung auf Matten, Behörden arbeiten von Parkplätzen aus - der Landesdirektor der Welthungerhilfe in Myanmar berichtet von katastrophalen Zuständen in dem Land. „Wir haben keine genauen Zahlen, aber wir gehen davon aus, dass neun Millionen Menschen stark betroffen sind“, sagte Henry Braun der Deutschen Presse-Agentur.
Drei Tage nach dem verheerenden Erdbeben der Stärke 7,7 mit Epizentrum in Myanmar lägen noch viele Leichen unter den Trümmern. „Es ist Sommer bei uns, die Temperaturen liegen bei knapp 42 Grad. Krankheiten und Seuchen werden sich langsam ausbreiten, das ist ein großes Sicherheitsrisiko für die Menschen und Helfer.“ Weil die professionellen Rettungstrupps zum Teil bisher nicht angekommen seien oder keinen Zugang hätten, machten vor allem „Sandalenretter die Arbeit“. „In Myanmar tragen die Menschen normalerweise Flipflops. Es sind die einfachen Menschen, die mit Schaufeln graben und am meisten tun.“
Zuflucht auf Fußballfeldern
Die Menschen hätten etwa in Klöstern Zuflucht gesucht. „Das hat Tradition in Myanmar: Im Kloster werden Menschen und Tiere in Not grundsätzlich aufgenommen. Deshalb sind Klöster für viele die erste Anlaufstelle.“ Zum Teil würden sich Menschen auch auf Fußball- und andere Felder begeben: „Sie wollen weg von Gebäuden sein, die einstürzen könnten.“ Dort gebe es zwar schon einige Zeltstädte, etwa vom Roten Kreuz. „Aber viele Menschen legen sich schlicht ohne ein Dach über dem Kopf auf Matten, um sich herum die Gegenstände, die sie retten konnten“, sagte Braun.
So lebt die 16 Jahre alte Schülerin Yoon May, deren Name zum Schutz geändert wurde, nun in Mandalay mit ihrer Familie auf einem Feld, wie die Hilfsorganisation Save the Children mitteilte. Es gebe weder Wasser noch Strom, der einzige Schutz sei ein Moskitonetz. Sie habe gerade ihre Prüfungen beendet und sich darauf gefreut, mit Freunden das Neujahrsfest „Thingyan“ Mitte April zu feiern, sagte Yoon May demnach. „Aber jetzt möchte ich nur noch weinen.“
Hunderte Millionen von Euro nötig
Braun von der Welthungerhilfe berichtete zudem von Regierungsbehörden in der Hauptstadt Naypyitaw, deren Gebäude zerstört seien: „Die Mitarbeiter arbeiten teils auf Parkplätzen weiter - und schlafen dort auch.“ Hilfsorganisationen hätten es unter anderem wegen zerstörter Straßen und Brücken schwer, in die betroffenen Regionen zu gelangen. „Von uns in Yangon braucht man nach Mandalay normalerweise acht, neun Stunden. Jetzt sind es bis zu 27 Stunden. Es gibt viel Verkehr, viel Stau, dazu kommen Militärkontrollen. Und es gibt Gebiete, in denen gekämpft wird, wo wir gar nicht hinkönnen oder dürfen.“
Myanmar ist Bürgerkriegsland. Die Generäle regieren das frühere Birma mit brutaler Härte. Seine Hoffnung sei, dass die Militärregierung nun Einsatzgruppen und Hilfskräfte, die in Bangkok in Thailand warteten, auch in das Land einreisen ließen. Zudem sei finanzielle Unterstützung der internationalen Gemeinschaft und aus dem Globalen Norden wie etwa Deutschland nötig. „In den kommenden Monaten werden Hunderte von Millionen Euro gebraucht“, schätzte Braun.
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