Analyse Wer oder was ist eigentlich die Leopoldina?
Düsseldorf · Die Nationale Akademie der Wissenschaften berät seit Jahrhunderten Politik und Öffentlichkeit. 24 Professoren und zwei Professorinnen haben an der Ad-hoc-Stellungnahme, wie das am Montag veröffentlichte 19-seitige Papier heißt, mitgewirkt. Wie gut sind die Ratschläge der Leopoldina? Eine Analyse.
Die Leopoldina empfiehlt, die Schulen schrittweise zu öffnen, aber auch das gesamte gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben stufenweise wieder hochzufahren. Nichts anderes war in den vergangenen Tagen von Politikern, Laien und sonstigen Bürgern dieses Landes zu hören.
Leopoldina heißt die Nationale Akademie der Wissenschaften. Dazu wurde die 1652 in Bayern gegründete naturwissenschaftlich-medizinische Akademie 2008 ernannt. Die Idee soll nach Angaben der Akademie selbst, eine „legitimierte Institution“ gewesen sein, die abseits politischer und wirtschaftlicher Interessen gesellschaftlich relevante Themen bearbeitet und diese der Politik und Öffentlichkeit vermittelt, beziehungsweise eine Beratungsfunktion einnimmt. Außerdem vertritt die Akademie die deutsche Wissenschaft im Ausland.
Gemeinnütziger Verein
Eigenangaben zufolge ist die Akademie als gemeinnütziger Verein organisiert, der aus Bundesmitteln sowie Geldern Sachsen-Anhalts finanziert wird. Schirmherr ist der Bundespräsident. In Halle hat die Leopoldina ihren Hauptsitz, für den kurzen Draht in Politik und Medien, gibt es ein Zweitbüro im Berliner Regierungsviertel.
Bis 1878 wanderte der Sitz der Leopoldina in den Wohnort des Präsidenten der Akademie. Seit 20. März besetzt Gerald Haug, Professor für Klimaforschung, diesen Posten. Zu Mitgliedern der Akademie werden herausragende Wissenschaftler gewählt. Aktuell sind es rund 1600, welche in über 30 Ländern verteilt sind. Auch Goethe, Albert Einstein und Charles Darwin waren Mitglied der Leopoldina. Die heutige Besetzung ist nicht weniger männlich dominiert. Unter den 27 Präsidenten gab es bisher, dem Namen nach zumindest, keine Frau.
Allgemeingültige Ratschläge
24 Professoren und zwei Professorinnen haben an der Ad-hoc-Stellungnahme, wie das am Montag veröffentlichte 19-seitige Papier heißt, mitgewirkt. Sie kommen unter anderem aus den Bereichen der Rechtsphilosophie, Ethik und Pädagogik. Zudem arbeiten sie in diversen naturwissenschaftlichen Instituten. In dem Papier stehen neben Schulen weitere wirtschaftliche Maßnahmen im Fokus. Doch so wissenschaftlich es auf den ersten Blick aussehen mag, ist es doch nicht. Die Ratschläge haben eine Allgemeingültigkeit, wie sie dem gesunden Menschenverstand entsprechen, sodass sie teilweise doch banal erscheinen.
„In den nächsten Wochen und Monaten sollte die Zahl der Neuinfektionen soweit wie möglich kontrolliert und auf einem niedrigen Niveau gehalten werden“, heißt es in der Stellungnahme. Das ist Konsens seit Tag 1 in Deutschland. Daten, Zahlen, Einordnung dazu gibt es nicht. Auch dass Hilfs- und Unterstützungsangebote für „Kinder in schwierigen Familienlagen oder Menschen, die häuslicher Gewalt ausgesetzt sind“ bereitstehen müssen, ist keine neue Erkenntnis. Solche Angebote werden seit Wochen organisiert. Zweifelsohne kann es nicht umfassend genug sein.
Viele Fragen offen
Das Papier empfiehlt, die Schule schrittweise in kleinen Lerngruppen zu starten. Der Unterricht solle sich auf die Kernfächer konzentrieren. Ältere Schüler sollen wegen ihrer Digitalkompetenz länger zu Hause lernen. Interessanter wirtschaftlicher Rat lautet: „Die vollständige Abschaffung des Solidaritätszuschlags sollte erwogen werden“. Außerdem wird zu mehr Nachhaltigkeit statt der Rückkehr zum Präcoronastatus angeraten, was eine „umgehende Einführung“ eines CO2-Preises bedeutet. Letztendlich lässt die Stellungnahme viele Fragen offen. Professorenratschläge sind per se nicht schlecht, vermitteln sie doch allein durch die Titel eine gewisse Wissenschaftlichkeit. Eine Studie, wie Merkel sie angekündigt hat, ist das Papier allerdings nicht.