In Kindheit entnommener Eierstock verhilft Frau zu Baby

Brüssel (dpa) - In der Kindheit entnommenes Eierstockgewebe hat einer Frau in Belgien etliche Jahre später zu einem Baby verholfen. Über den bisher einmaligen Fall berichten Mediziner im Fachmagazin „Human Reproduction“.

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Das Verfahren, Frauen vorsorglich entnommenes Eierstockgewebe nach einer überstandenen Chemotherapie wieder einzupflanzen und sie so wieder fruchtbar zu machen, ist nicht neu. Ungewöhnlich aber ist die frühe Entnahme des Gewebes.

Die Patientin war als Kind an Sichelzellenanämie erkrankt, heißt es in dem Bericht. Im Alter von 13 Jahren und noch vor der ersten Regelblutung hatten Ärzte in Belgien ihr den rechten Eierstock entnommen und eingefroren, weil im Zusammenhang mit einer Knochenmarkstransplantation eine Chemotherapie nötig wurde. Dadurch können auch die Eierstöcke dauerhaft geschädigt werden. Die junge Patientin hatte von ihrem 15. Lebensjahr an eine ständige Hormonersatztherapie erhalten, um ihren Zyklus in Gang zu setzen.

Im Alter von 25 Jahren wandte sich die wieder gesunde Frau an das Erasmus Hospital der Freien Universität Brüssel - mit Babywunsch. Die Reproduktionsmedizinerin Isabelle Demeestere und ihr Team stoppten daraufhin die Hormongabe und setzten der Frau Teile des lange zuvor entnommenen Eierstocks wieder ein: Vier Fragmente pflanzten sie direkt auf den verbliebenen Eierstock, elf weitere an andere Stellen im Körper. Die Eizellproduktion kam wieder in Gang, nach fünf Monaten setzte die Menstruation ein - und zwei Jahre später, im vergangenen November, kam ein auf natürlichem Weg gezeugter Junge zur Welt.

„Das ist ein wichtiger Durchbruch in diesem Bereich, denn Kinder sind die Patienten, die in Zukunft am meisten von dem Verfahren profitieren können“, sagte Demeestere. Inwieweit auch Ovarialgewebe jüngerer Mädchen - und nicht wie in diesem Fall schon am Beginn der Pubertät - erfolgreich eingesetzt werden könne, sei allerdings noch unklar.

Der Erhalt der Fruchtbarkeit sei bei Krebstherapien von großer Bedeutung, weil inzwischen viele junge Frauen geheilt würden, sagte Christian Thaler vom Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Reproduktionsmedizin (DGRM). Die klassische Methode sei dabei aber nicht die Kryokonservierung von Eierstockgewebe, sondern von unbefruchteten Eizellen.

„Das sollte immer die erste Wahl sein“, betonte der Leiter des Hormon- und Kinderwunschzentrums am Klinikum der Ludwig Maximilians Universität München. Das Verfahren sei in der normalen Kinderwunschbehandlung schon lange etabliert und entsprechend sicher. Die Transplantation von Eierstockgewebe ist hingegen immer noch experimentell und bisher sind erst einige wenige Kinder daraus hervorgegangen. Ich habe die Sorge, dass dieses Verfahrens angesichts erfolgreicher Einzelfälle überbewertet wird.“

Der Eingriff sei zudem auch deutlich invasiver als bei der Entnahme von Eizellen - womit die OP-Risiken größer sind. In einigen wenigen Fällen gebe es aber tatsächlich keine Alternative zum Einfrieren von Eierstockgewebe: „So ist etwa bei Mädchen vor der Pubertät, die eine onkologische Therapie benötigen, eine Eizellgewinnung kaum möglich.“

In seltenen Einzelfällen könne auch der Zeitfaktor eine Rolle spielen - für die Eizellentnahme ist eine zehn bis zwölf Tage dauernde Vorbehandlung nötig. „Fast immer hat man aber die Zeit, die Chemotherapie entsprechend zu verschieben“, betonte Thaler. „Krebs entwickelt sich über Jahre, da kommt es auf einige Tage mehr oder weniger nicht an.“