7. November 1989: Krach mit Bonn

Berlin. Theo Waigel, der Bundesfinanzminister, war am Donnerstag in der Stadt und hat gesagt: „Berlin ist nicht überproportional belastet“. Es gebe kein zusätzliches Geld vom Bund für die Flüchtlinge.

Wir sind empört. Jetzt machen wir den schon länger schwelenden Krach mit Bonn öffentlich.

Seit Jahresbeginn sind 26 000 Übersiedler aus der DDR und 11 000 Aussiedler nach Berlin gekommen. Die meisten logieren in Notlagern. Viele Turnhallen sind blockiert. Auch das Messegelände, wo bald die Vorbereitungen für die Grüne Woche beginnen sollen, wird schon zweckentfremdet. Seit die Ausreise über die Tschechoslowakei möglich ist, kommen täglich 500 Menschen aus der DDR dazu. West-Berlin läuft über.

Es geht uns bei dem Streit mit der Bundesregierung nicht nur um mehr Geld für die Bewältigung der Situation. Wir fühlen uns in Berlin seit Wochen von Bonn schlichtweg im Stich gelassen. So ist der Vorschlag des Senats, das Begrüßungsgeld für DDR-Touristen, 100 Mark, im Falle der Reisefreiheit direkt in der DDR durch die dortige Staatsbank auszuzahlen, bisher noch nicht einmal beantwortet worden. Nur mündlich haben wir die Auskunft bekommen, dass diese Auszahlung ein „hoheitlicher Akt“ der Bundesrepublik Deutschland sei, und deshalb nicht an die DDR abgegeben werden dürfe.

In dieser Situation schreibt der Regierende Bürgermeister Walter Momper einen direkten Brief an Kanzler Helmut Kohl, der das Verhältnis für lange Zeit vergiften wird. Er beginnt mit der süffisanten Formulierung: „Hiermit erlaube ich mir, Ihre besondere Aufmerksamkeit auf die Entwicklungen zu lenken, die der Veränderungsprozess in der DDR in diesem Teil Berlins hervorrufen dürfte“.

Und endet mit dem drohenden Hinweis, die alliierten Stadtkommandanten hätten ihm, Walter Momper, „zu erkennen gegeben, dass sie sich darauf vorbereiten, die Bundesregierung bald an ihre Verpflichtungen aus der Erklärung über Hilfeleistungen für Berlin, die seit dem 5. Mai 1955 gilt, zu erinnern“.