Aiman Mazyek: „Wir werden an den Pranger gestellt“
Interview: Der Generalsekretär des deutschen Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, kämpft für eine rechtliche Besserstellung des Islam.
<strong>Düsseldorf. Herr Mazyek, am Mittwoch findet die nächste Islamkonferenz bei Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble statt. Was erwarten Sie sich von ihr?Mazyek: Einen Austausch, wie der Islam in das deutsche Staatswesen und in die Gesellschaft integriert und als gleichberechtigte Religionsgemeinschaft anerkannt werden kann. Aber ich habe den Eindruck, dass man sich vor der Anerkennungsfrage fürchtet wie der Teufel das Weihwasser. Ich möchte, ehrlich gesagt, diese Diskussion nicht bis zum Sankt-Nimmerleinstag führen. Es ist aber durchaus möglich, dass die Islamkonferenz für eine Überraschung gut ist. Welche Überraschung soll das sein? Schäuble hat Ihrem Ansinnen, als Religionsgemeinschaft anerkannt zu werden, bereits eine klare Absage erteilt.Mazyek: Hat er nicht, er hat lediglich den Koordinierungsrat der Muslime relativiert und kleingeredet und gleichzeitig diese Initiative begrüßt, schließlich hat er den Zusammenschluss ja höchstpersönlich von uns Muslimen eingefordert. Schäuble hat wörtlich gesagt: "Ein Verband ist noch keine Religionsgemeinschaft." Er hat ferner darauf hingewiesen, dass die vier Vereine, die den Koordinierungsrat der Muslime bilden, doch höchstens 15 Prozent der Muslime in Deutschland vertreten.Mazyek: Es gibt 2500 Moscheen in Deutschland. Der Koordinierungsrat vertritt 2000 davon. Das ist doch eine Hausnummer, mit der man anfangen kann, oder? Ich vermisse die Ernsthaftigkeit in der Debatte. Ich vermisse "good will" in der Politik. Nicht alle Muslime gehen in die von Ihnen genannten Moscheen. Die, die dort hingehen, sind doch eher die Konservativen.Mazyek: Die Lager bei uns trennen sich gar nicht in "liberal" und "konservativ". Das ist viel differenzierter. In die Moscheen gehen Funktionäre und Nicht-Funktionäre, Frauen mit und ohne Kopftuch. Es ist ein bunter Strauß an Muslimen, darauf sind wir stolz.
"Wir können sagen, was wir wollen. Am Ende gibt es einen Rest an Misstrauen"
Ein sehr bunter Strauß. Es gibt auch Mitgliedsorganisationen im Zentralrat der Muslime, die seit Jahren vom Verfassungsschutz beobachtet werden.Mazyek: Ich korrigiere, seit Jahrzehnten. Und was ist bislang dabei herausgekommen? Die PDS wird auch vom bayerischen Verfassungsschutz beobachtet. Heißt das, dass sie jetzt nicht bei den Wahlen antreten darf? Für uns ist die rote Linie das Grundgesetz. Wer in unseren Reihen diese Linie überschreitet, der fliegt. Die Sozialwissenschaftlerin und Islamkritikerin Necla Kelek sieht in dem Koordinierungsrat eine "Versammlung muslimischer Stammesführer".Mazyek: Wieder Kindertheater. Bei uns gibt es in den Moscheen Frauen, in den Vorständen. Wir haben im Zentralrat mit Frau Weiß eine Frau als stellvertretende Vorsitzende, mit Frau Soykan eine Pressesprecherin. Von Stammesführern kann doch keine Rede sein. Richtig ist: Es gibt bei uns in der Führung immer noch mehr Männer als Frauen, was ich sehr bedauere. Aber das ist in der deutschen Wirtschaft auch so. Und eine katholische Bischöfin gibt es bislang auch nicht. Treten Sie denn wirklich für eine völlige Gleichstellung der Frauen im Sinne des Grundgesetzes ein?Mazyek: Mit allem gebotenen Respekt: Alleine Ihre Fragestellung zeigt, dass Muslime sagen können, was sie wollen, am Ende gibt es immer noch so etwas wie einen Rest an Misstrauen. Die Debatten und der darin geäußerte Generalverdacht zeigen erste Wirkung. Natürlich ist bei uns nicht alles Friede, Freude Eierkuchen, ich kenne ein Menge Defizite, ich verschweige diese auch nicht. Diese zu erörtern und zu korrigieren geht aber nicht, indem man stets an den Pranger gestellt wird. Eine Reihe islamischer Verbände kämpft dafür, dass der Islam im modernen Westen einen Platz bekommt. Dieser Prozess sollte unterstützt werden, stattdessen werden diese Kräfte auch noch relativiert. Unserem Land fehlt es eben trotz Islamkonferenz an einer vernünftigen Islampolitik."Wir leben in einem Dauerzustand permanenter Verdächtigungen"
Sie lenken vom Thema ab. Sie wollen, dass muslimische Mädchen dem Schwimmunterricht in deutschen Schulen fernbleiben können, weil sich das mit religiösen Bekleidungsregeln nicht verträgt. Das ist doch keine Gleichstellung!Mazyek: Wir fordern doch nicht, dass Mädchen dem Schwimmunterricht fernbleiben! Aber es gibt muslimische Familien, die die islamischen Kleidungsvorschriften einhalten. Warum soll es nicht möglich sein, dass diese Kinder gesondert unterrichtet werden und so ihr Schwimmabzeichen bekommen? Wir leben doch in einem liberalen Land, wo es so etwas wie Religionsfreiheit gibt? Es klappt ja auch in den meisten Fällen vor Ort. In unserem liberalen Land gilt es als Errungenschaft, dass Mädchen sich nicht schamvoll verhüllen müssen.Mazyek: In der Regel läuft das zwischen Eltern und Kindern harmonisch. Der Fehler ist, dass wir ständig extreme Einzelfälle zum Regelfall erklären. In der Tat werden Extreme eher wahrgenommen. Nehmen Sie den Karikaturenstreit: Natürlich waren es nicht "die Muslime", die Fahnen verbrannt oder Kofferbomben in Züge gestellt haben. Es waren Islamisten. Sie sind es, die das Verhältnis zum Islam belasten.Mazyek: Die Bundeskanzlerin hat die Muslime in Deutschland für ihre Besonnenheit und Friedfertigkeit während des Karikaturenstreits ausdrücklich gelobt. Wir haben immer gesagt: Diese Karikaturen verletzen unsere Gefühle. Auf der anderen Seite gibt es die Pressefreiheit. Wer also Kritik üben will, der soll dies sachlich und konstruktiv tun und dabei die Gesetze achten. Und was die Kofferbomben angeht: Ich selbst fahre täglich mit genau dem Zug, in dem die Kofferbomben platziert wurden. Ich hätte ebenso sterben können. Diese Anschläge betreffen uns also alle: Deutsche, Nicht-Deutsche, Christen, Moslems, Juden. Auch bei den Anschlägen am 11. September 2001 sind Muslime ums Leben gekommen. Trotzdem leben wir seitdem in einem Dauerzustand permanenter Angriffe und Verdächtigungen.Aiman Mazyek
Kurzvita Aiman A. Mazyek wurde 1969 in Aachen geboren. Sein Vater ist ein aus Syrien stammender Ingenieur, die Mutter Deutsche. Er studierte Philosophie, Ökonomie und Politische Wissenschaften in Aachen und parallel dazu Arabistik in Kairo. Das bekennende FDP-Mitglied hat drei Kinder und arbeitet als freier Publizist und Medienberater.
Islam-Vertreter Mazyek ist seit 2006 Generalsekretär des Zentralrats der Muslime und neben dessen Vorsitzenden, Ayyub Axel Köhler, derzeit der wohl wichtigste Vertreter der Muslime in Deutschland. Er sieht sich selbst als säkularen Moslem, also als Gläubigen, der die Trennung von Religion und Staat befürwortet.
Koordinierungsrat Der Zentralrat der Muslime hat sich mit drei weiteren Verbänden zum Koordinierungsrat der Muslime zusammengeschlossen. Ayyub Axel Köhler ist derzeit dessen Sprecher.