Allein unter Katholiken

München. Ein Ökumenischer Kirchentag hält Prüfungen bereit. Manche Erfahrungen werden fürs Leben prägen. Zum Beispiel die, als Protestant einen Abend unter Katholiken zu verbringen.

Ich habe ihn überlebt.

Es war ein Moment der Unachtsamkeit, sich mit dem katholischen Manager, einem mit ihm befreundeten Pfarrgemeinderatsvorsitzenden und dessen Frau am späten Abend am Messeausgang zu verabreden. "Auf ein Bier", lautete die leichtfertige Zusage. Kaum hat das katholische Trio den Evangelischen in der Zange, ist es vorbei mit der protestantischen Freiheit. Ich will zur U-Bahn, die Gruppe lotst mich stattdessen in den Shuttle-Bus. Ob der Weg überhaupt der richtige ist, bedarf keiner Überprüfung. Die Schäfchen haben zu folgen. So sind sie, die Katholiken.

Das Gefühl des Ausgeliefertseins steigert sich, als wir den Marienplatz erreichen. Die Aussicht auf ein Brauhaus scheint den feierfreudigen Römisch-Katholischen neue Energie zu verleihen. Während ich das sündige Treiben schnell hinter mich bringen will, wohlwissend, dass ich mich der Verfehlung nicht durch munteres Beichten wieder entledigen kann, sondieren die anderen in aller Ruhe die Lage.

Offenbar vergrößert sich das katholische Vergnügen nämlich mit der eigenen Gruppenstärke, was erklären würde, warum katholische Messen und Karnevalssitzungen in der Regel besser besucht sind als evangelische Gottesdienste. Vermutlich deshalb müssen wir auch unseren warmen Sitzplatz in der einen Gaststätte noch einmal räumen, weil mittlerweile per Handy im benachbarten Brauhaus ein weiterer Trupp fröhlicher Katholiken ausgemacht ist. Als sich herausstellt, dass dort aber bereits die Küche geschlossen ist, scheint mein protestantischer Wagemut gänzlich im Fiasko zu münden.

Doch der Geist des Herrn weht, wo er will. Sein erstes versöhnliches Signal sendet er mit den beiden Rheinländern, die zufällig mit am Tisch sitzen. Aus dem mir so vertrauten Altenberger Dom haben die Ministrantenreferenten Patrik Höring (41) und Andreas Schöllmann (34) das Altenberger Licht über Köln bis nach München begleitet. 300 Kilometer mit dem Zug, aber 350 Kilometer auch auf dem Fahrrad. Da wackelte das Licht in einer Sturmlaterne hin und her, befestigt an einem Besenstiel und eingeklemmt am Gepäckträger. Ein Hoffnungszeichen aus der bergischen Heimatregion. Mir wird wärmer.

Und als sei das nicht aufbauend genug, wandern plötzlich zwei bayrische Brezeln durch die Reihe. Das Bewegende dabei: Ich werde nicht übergangen. Ein knurrender Protestantenmagen erweicht selbst katholische Herzen. Ja, mit dem gemeinsamen Abendmahl tun sich die Kirchenleitungen noch schwer. Aber das ökumenische Brezelbrechen funktioniert einwandfrei. Ich war dabei.