Gastbeitrag Sein theologisches Gedankengut liefert Einsichten auch für den katholischen Glauben

Gastbeitrag Sein theologisches Gedankengut liefert Einsichten auch für den katholischen Glauben

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Als Katholik die Reformation feiern? Der 31. Oktober 1517 spaltet die Kirche - und er spaltet seitdem auch die Glaubenspraxis. Die protestantischen Christen begehen ihn als Feiertag, bei den Katholiken sorgen das Datum und die Folgen meist für Bedauern. Bedauern, dass aus einer Einheit zwei Lager wurden, dass die Geschichte viele Unstimmigkeiten und Konflikte brachte. Bedauern auch darüber, dass eine Einheit so ohne weiteres nicht mehr möglich wurde. Deshalb tue ich mich schwer damit, das Reformationsjubiläum zu feiern.

Viel ehrlicher ist es, wenn wir als Katholiken der Reformation gedenken. Wir wollen sie besser zu verstehen suchen, ihre handelnden Personen, ihre leitenden Ideen und ihre geschichtlichen Auswirkungen. Ein richtig verstandenes Reformationsgedenken muss für alle Christen zu einer Besinnung werden, die Wege in eine wiederzugewinnende Einheit eröffnet. Unbestritten ist doch, dass das theologische Gedankengut Luthers auch für die katholische Glaubenslehre und den katholischen Glauben wichtige Einsichten liefert. Neben der besonderen Wertschätzung der Heiligen Schrift ist das vor allem Luthers Konzentration auf Jesus Christus als Maß und Orientierungspunkt des christlichen Lebens — so Papst Benedikt XVI. im Augustinerkloster in Erfurt.

So gesehen war Martin Luther, salopp formuliert, ein „Reformkatholik“. Er hat bekanntlich keine neue Kirche gewollt, sondern er hat die Kirche reformieren wollen. Sein Reformanliegen haben seinerzeit bedauerlicherweise bei den kirchlichen Instanzen in Deutschland und Rom kein angemessenes Verständnis gefunden. Zudem sind die primär geistlichen Anliegen Luthers immer wieder von politischen Spaltungen überlagert worden. Ein zukunftsweisendes Reformationsgedenken muss aus meiner Sicht heute geprägt sein von: Es geht vorrangig nicht um Martin Luther, sondern es geht um den im Evangelium bezeugten Jesus Christus, in dem sich Gott den Menschen offenbart. Jesus Christus heute gemeinsam den Menschen in unserer Gesellschaft und Welt zu bezeugen, muss die Mitte des ökumenischen Reformationsgedanken sein.

Mit all den daran sich ergebenden Herausforderungen: im Blick auf die Gottesfrage, im Blick auf das Christenbekenntnis und mit Blick auf das gemeinsame missionarische Zeugnis der Christen in unserer Zeit. Luthers Ruf nach einer Reform der Kirche hat faktisch zu einer Spaltung geführt. An diesem Punkt hat die Reformation ihr Ziel nicht erreicht. Es ist gut, dass wir heute soweit sind, das Versagen auf beiden Seiten ehrlich anzuerkennen. Dabei geht es ausdrücklich nicht um eine Schuldzuweisung an den anderen, sondern um die Wahrnehmung der eigenen Schuld und die daraus folgende Bereitschaft zu Versöhnung. Aus Versöhnung erwächst neue gemeinsame christliche Praxis.

Es geht beim Reformationsgedenken nicht nur um die Beziehung zwischen der katholischen und evangelischen Kirche.

Auch die sogenannten Freikirchen, die sich in der Regel ausdrücklich als evangelisch verstehen und ihre Wurzeln ebenfalls in der Reformation haben, sind deutlicher auf einem ökumenischen Zukunftsweg einzubeziehen. Und besonders müssen auch die orthodoxen Kirchen — auch wenn die Reformation nicht Teil ihrer Geschichte ist — mit einbezogen werden. Denn eine Ökumene der Zukunft wird eine multilaterale Ökumene sein. Mir ist es wichtig, die gegenwärtige Situation der Kirchen, die sehr stark von der Bewahrung der eigenen Identität geprägt ist, zu öffnen auf eine von Vertrauen auf Jesus Christus und den Heiligen Geist geprägte Suchbewegung, in der sich unsere Kirchen verändern müssen, um ihrem Auftrag, die Frohe Botschaft zu verkündigen, in dieser Zeit mehr und mehr gerecht werden.

Die innerchristliche Ökumene wird durch den anstehenden Dialog der Weltreligionen herausgefordert werden. Können wir eine gemeinsame christliche Antwort in diese Gespräche einbringen? So gesehen freue ich mich auf die Begegnungen mit den evangelischen Geschwistern bei der Reformationsfeier am 31. Oktober in der Tonhalle.

Michael Hänsch ist Geschäftsführer der Katholischen Kirche in Düsseldorf