Analyse: Die Bereitschaft zur Adoption sinkt
Gründe sind neue medizinische Möglichkeiten, eigene Kinder zu bekommen, und das harte Auswahlverfahren.
Wiesbaden. In Hollywood scheint der Trend zur Adoption ungebrochen: Die Schauspielerinnen Sandra Bullock und Nicole Kidman haben schon länger Erfahrungen als Adoptivmütter. Auch Pop-Diva Madonna nahm ein Kind an, Brad Pitt und Angelina Jolie sind gleich mehrfache Adoptiveltern. In Deutschland sinkt dagegen die Zahl der Bewerber für ein Adoptivkind seit der Wiedervereinigung ständig. Zwar wurden 2010 erstmals seit 17 Jahren wieder mehr Kinder adoptiert (plus 3,4 Prozent). Die Zahl der Bewerber für ein Adoptivkind ging aber weiter zurück — auf den niedrigsten Stand seit der Wiedervereinigung.
Rein rechnerisch kamen nur noch sieben mögliche Eltern auf ein zur Adoption vorgemerktes Kind. „Viel weniger sollten es nicht werden“, sagt die Vorsitzende des Bundesverbands der Pflege- und Adoptivfamilien, Dagmar Trautner. Um die richtigen Eltern für ein Kind zu finden, müsse unbedingt aus einem Pool ausgewählt werden können.
Ein Grund für das sinkende Interesse sind die harten Auflagen für eine Adoption. „Allen Bewerbern ist klar, wie die Chancen sind“, sagt Trautner. Die Ansprüche an gute Eltern seien gestiegen und das Problembewusstsein sei gewachsen. Das gelte etwa für die Bedeutung der leiblichen Mütter und Väter für die Kinder.
Zudem sind die Chancen, mit Hilfe der Reproduktionsmedizin schwanger zu werden, gestiegen. Aber auch ein Leben ganz ohne Kinder erfahre heute mehr gesellschaftliche Akzeptanz als früher. „Man kann auch in anderen Lebensformen leben, beispielsweise mit einem Partner, der eigene Kinder mitbringt.“ Allerdings sei es für viele noch persönlich ein Manko, kinderlos zu bleiben.
Hinzu kommt, dass viele kinderlose Paare es zunächst mit der Reproduktionsmedizin versuchten. An der Kante zu 40 merkten sie dann, dass sie bei der klassischen Adoption keine besonders guten Aussichten mehr haben, berichtet der Hamburger Psychologe Kay-Uwe Fock, der seit vielen Jahren adoptionswillige Paare berät. Immer mehr entschieden sich dann, Pflegekinder aufzunehmen — also oft nur vorübergehend und ohne Sorgerecht.
Oder sie gehen den Weg der Auslandsadoption. Darüber gibt es aber keine amtliche Statistik. Fachleute schätzen die Zahl auf bis zu 1000 Kinder pro Jahr. Fock sieht das kritisch: „Kinder aus dem Ausland bringen oft hammerharte Erfahrungen mit.“ Wenn solche Kinder dann auf Eltern stießen, die nicht sehr reflektiert an die Adoption herangingen, seien Probleme absehbar.