Analyse: Warum Richter mittags nicht Tennis spielen
Die Justizangehörigen protestieren. Sie verzweifeln im Kampf gegen die Aktenberge.
Düsseldorf. Donnerstagnachmittag wird es in Düsseldorf eineungewöhnliche Demonstration geben: Richter und Staatsanwälte treffensich um 15 Uhr vor dem Justizministerium. Was die Juristen protestierenlässt - statt wie gewohnt zu richten und anzuklagen - ist ein doppelterHilferuf: "Wir sind zu wenige und schaffen daher unsere Arbeit nicht.Und wir sind unterbezahlt."
Der "Richter mittags auf dem Tennisplatz" ist ein Märchen, heißt esbeim Richterbund NRW. Reiner Lindemann, Vorsitzender des Verbands: "Diestarke Belastung führt bei dem einzelnen Richter oder Staatsanwaltdazu, dass er eine durchschnittliche Wochenarbeitszeit von 51-53Stundenhat - statt der Wochenarbeitszeit von 41 Stunden lautPersonalbedarfsberechnung." Die Richter und Staatsanwälte hätten nichtdie Zeit, die sie zur sorgfältigen Prüfung der Ansprüche eines Klägersim Zivilprozess oder der Klärung der Frage einer Beteiligung einesBeschuldigten im Strafverfahren aufwenden müssten. Die auch für dieBürger spürbaren Folgen: Langwierige Zivilverfahren führten nichtselten zu finanziellen Schwierigkeiten der Rechtssuchenden, mituntergar zur Insolvenz der Parteien. Straftaten werden zu spät angeklagt, eskommt zu als ungerecht empfundenen Verfahrenseinstellungen oder "Deals"(Prozessabsprachen).
Laut Lindemann sind neben den Staatsanwälten derzeit die Richter derSozialgerichtsbarkeit am stärksten belastet. Während ein Sozialrichterim Jahre 1994 pro Jahr 285 Fälle zu bearbeiten hatte, liege die Zahl imJahre 2009 bei 418 Fällen pro Jahr.
Die Besoldung der Richter und Staatsanwälte wurde - so der Vorwurf -von der Gehaltsentwicklung in der Wirtschaft und denRechtsanwaltskanzleien abgekoppelt. Top-Juristen ziehe es daher immermehr in die großen Anwaltskanzleien, wo sie mehr als das Doppelteverdienen könnten. Damit wird es laut DRB immer schwieriger,qualifizierte Bewerber für den Beruf des Richters oder Staatsanwalts zufinden.
Nach einem Gutachten der Unternehmensberatung Kienbaum stiegen dieGesamtbezüge der Richter und Staatsanwälte von 1992 bis 2007 um ca. 22Prozent. Zum Vergleich: Bei angestellten Rechtsanwälten stieg dasEinkommen im selben Zeitraum um 42 Prozent, bei Seniorpartnern lag dasPlus bei 51 Prozent. Angesichts von Kürzungen und Inflation lag dieBesoldung der Richter und Staatsanwälte laut DRB im Jahr 2008 dagegenunter der des Jahres 2004.