Angriff: Nicht alle bemitleiden Berlusconi

Italien steht unter Schock, kritisiert aber den Regierungschef.

Rom. Ein blutüberströmtes Gesicht mit geschwollener Lippe, lädierter Nase und Augen - Italiens Regierungschef Silvio Berlusconi verlangte am Morgen nach der Tat eines seelisch labilen Mailänders als erstes nach den Tageszeitungen. Der 73-Jährige, der gestern noch im Mailänder Krankenhaus San Raffaele lag, war nach einer Wahlveranstaltung auf dem Vorplatz des Mailänder Doms attackiert worden.

Italien ist im Schock und erinnert sich an brachiale links- wie rechtsextreme Gewalt in früheren bleiernen Jahren. Berlusconi konnte bei seiner Lektüre so auch zur Kenntnis nehmen, dass alle Zeitungen flammende Appelle gegen die Gewalt in Politik und Gesellschaft auf den Titel gehoben hatten - aber auch auf das vergiftete politische Klima im Stiefelstaat eingingen. Und zu dem hat Berlusconi mit harten und mitunter herabwürdigenden Seitenhieben auf den politischen Gegner sehr wohl beigetragen.

Der Frontalkrieg mit einem Mann, der das Parlament gern links liegen lässt und eine absolutistische Politik liebt, war aber auch in dieser dunklen Stunde nicht ganz eingestellt. Zwar gab es von der linken Opposition einen Chor der Entrüstung, doch nicht alle stimmten harmonisch mit ein. Weniger schockiert zeigte sich ein scharfer Berlusconi-Gegner: "Ich bedauere die Gewalt, aber er hat ein Klima des Hasses geschaffen", sagte Antonio Di Pietro von der Anti-Korruptions-Partei Idv über einen konservativen Regierungschef, der sich erneut vor Gerichten wegen Bestechung zu verantworten hat.

Wenn im Internet auch heimliche Freude über die Gewalt von Mailand aufkommt und der seelisch labile Täter zum "Mann des Jahres" erkoren wird, dann kann Berlusconi von seinen Mannen umso leichter als Opfer des Hasses beschrieben werden: Massimo Tartaglia habe im Internet bereits einen Fan-Club, dem bald 20 000 Mitglieder beigetreten sein dürften, schätzte "La Repubblica".