Kundus-Affäre: Warten auf den Untersuchungsausschuss
Die früheren SPD-Minister waschen ihre Hände in Unschuld. Sie wollen von dem Bombardement nichts gewusst haben.
Berlin. Ist es denn Krieg? Mit Killerkommandos, mit gezielten Tötungen von Taliban? Die SPD jedenfalls will für eine sogenannte "Eskalationsstrategie" in Afghanistan nicht haftbar gemacht werden. Falls das gezielte Töten von Taliban dazu gehört, so wurde darüber im Kabinett nicht "gesprochen", versicherte am Montag SPD-Chef Sigmar Gabriel, zu Zeiten des Luftangriffs von Kundus noch Bundesumweltminister.
"Ich war daran nicht beteiligt", fügte der Fraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier hinzu. Er war zum Zeitpunkt des Luftangriffs auf zwei Tanklastwagen und, wie immer wichtiger zu werden scheint, herumstehende Taliban-Führer am 4. September noch Außenminister.
Steinmeier will unmittelbar nach dem Angriff versucht haben, an Informationen zu gelangen. Aber die Auskünfte seien widersprüchlich gewesen. Lange Zeit hat sich Steinmeier weder zur Zahl der Zivilopfer noch zur Frage geäußert, ob der Angriff militärisch angemessen war. Bis heute hegen führende Sozialdemokraten den Verdacht, dass Verteidigungsministerium und Kanzleramt - beide Unions-geführt - die kritischen Fragen unterdrückt haben, weil ihnen eine Diskussion darüber wenige Wochen vor der Bundestagswahl am 27. September ungelegen kam.
Die SPD forderte gestern erneut eine Regierungserklärung. Und zwar noch in dieser Woche. In einem Brief an die Kanzlerin verlangten auch die Grünen von Angela Merkel, dass sie zügig Rede und Antwort stehe.
Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) solle sich nicht "hinter dem Untersuchungsausschuss verstecken", mahnt Steinmeier. Gabriel befürchtet, dass die Öffentlichkeit "schrittweise psychologisch darauf vorbereitet wird", dass die Bundeswehr zur Interventionsarmee umfunktioniert wird.
Nach dem Wochenende haben beide endgültig Lunte gerochen. Der SPD-Chef argwöhnt, dass der neue Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg zu Unrecht einen Staatssekretär (Wichert) und den Generalinspekteur (Schneiderhan) entlassen hat, weil sie ihn vom ersten Tag an doch über die Umstände des Bombardements informiert hätten.
Außerdem habe zu Guttenberg wider besseren Wissens zunächst behauptet, Ziel des Luftangriffs seien zwei gekaperte Tanklaster gewesen, um zu verhindern, dass sie wie Bomben gegen die Bundeswehr eingesetzt werden. In Wahrheit, so bestätigte schließlich selbst der für den Angriff verantwortliche Oberst Klein, ging es aber darum, Taliban zu töten.
Guttenberg ging am Montag seinerseits in die Offensive. Nach seinen Angaben wusste die Opposition jedenfalls seit dem 6.November, dass der Angriff auch gegen Taliban gerichtet war. Darauf sei die Opposition im Bundestag hingewiesen worden, beharrte er. Gabriel wie übrigens auch Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin müssten aufpassen, dass sie sich nicht selbst den Vorwurf der Täuschung der Öffentlichkeit einhandelten. "Die Opposition hat spätestens seit 3. November auch die Möglichkeit gehabt, den Com-Isaf-Bericht einzusehen. Ich gehe davon aus, dass die beiden Herren lesen können", sagte er. Com-Isaf - das bedeutet das Kommando der Internationalen Schutztruppe.