Anti-deutsche Stimmung in Griechenland
Politiker fordern von Berlin die Zahlung von Entschädigungen für die Zeit des Zweiten Weltkriegs. Eine Verbraucherorganisation ruft zum Boykott deutscher Waren auf.
Athen/Berlin. Die schwere Finanzkrise in Griechenland führt zunehmend zu anti-deutschen Stimmungen. Im Parlament in Athen forderten Abgeordnete der kommunistischen und der ultra- konservativen Opposition, die griechische Regierung müsse aus Deutschland Reparationszahlungen für die Zeit des Zweiten Weltkriegs einfordern.
Vize-Regierungschef Theodoros Pangalos hatte Deutschland bereits zuvor in einem Interview vorgeworfen, während der Besetzung durch die Nazis die griechische Wirtschaft ruiniert zu haben: "Sie haben griechisches Gold weggenommen, sie haben griechisches Geld weggenommen, und sie haben es nie zurückgezahlt."
Sein Chef, Ministerpräsident Giorgos Papandreou, distanzierte sich von Pangalos. Die Bundesregierung wies die Vorwürfe, die Entschädigungen Deutschlands seien nicht vollständig geklärt, energisch zurück. Vize-Regierungssprecherin Sabine Heimbach sagte, Deutschland sei seinen Reparations-Verpflichtungen nachgekommen.
Die griechische Verbraucherorganisation Inka rief derweil zu einem Boykott deutscher Produkte auf. Ihr Protest richtet sich gegen die Berichterstattung über die griechische Krise in deutschen Medien, insbesondere gegen das Titelbild des Magazins "Focus". Auf diesem ist die Statue der Venus von Milo abgebildet, die dem Betrachter den ausgestreckten Mittelfinger zeigt. Daneben steht die Aufschrift: "Betrüger in der Euro-Familie - bringt uns Griechenland um unser Geld?"
Papandreou stimmte seine Landsleute auf noch heftigere Sparmaßnahmen ein. Griechische Medien schrieben, nun werde "ein Hagel von Sparmaßnahmen" auf das Land zukommen. Am Freitag fanden intensive Gespräche darüber statt, wie das Land vor einem Staatsbankrott bewahrt werden kann. Überraschend traf auch Deutsche-Bank-Chef Ackermann zu einem Treffen mit Papandreou und Experten griechischer Banken in Athen ein. Zum Inhalt der Gespräche wurde nichts bekannt.
Athen muss in den nächsten drei Jahren seine desolate Finanzlage wieder in Ordnung bringen. Die Regierungen hatten jahrelang die Defizite und Schulden des Landes derart schöngerechnet, dass das Haushaltsloch derzeit mit 12,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu Buche schlägt. Griechenland hat mehr als 300 Milliarden Euro Schulden.
Eine Reihe deutscher Banken hat derweil beschlossen, keine griechischen Staatsanleihen mehr zu kaufen. Dies dürfte die Finanzierungsbedingungen für Griechenland weiter verschärfen. Es muss damit rechnen, künftig höhere Zinsen zahlen zu müssen.
Für Aufregung sorgte am Freitag eine Meldung des "Wall Street Journal", wonach mehrere Hedgefonds Wetten auf einen weiteren Kursverfall des Euro abgeschlossen hätten. Sie wollen so von der Schuldenkrise in der Eurozone profitieren. Einige solcher Wetten haben in der Vergangenheit große Industriestaaten in Bedrängnis gebracht.