Atomlaufzeiten unterm Hammer

Umweltminister Röttgen prüft eine Idee: Für Kernkraftwerke, die länger am Netz bleiben sollen, könnten Lizenzen versteigert werden.

Berlin. Allen Sparbemühungen zum Trotz sieht sich der Bund vor einem hohen Etatdefizit. Zusätzliche Einnahmen sind willkommen. Dazu beitragen soll etwa die neue Brennelementesteuer, die mit 2,3 Milliarden Euro im Bundeshaushalt eingestellt ist.

Doch nun tun sich ganz neue Quellen auf. Das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) schlägt vor, dass der Bund die geplante Verlängerung der Atomlaufzeiten über eine Auktion organisiert. Die Kraftwerksbetreiber müssten für eine neue Betriebsgenehmigung in die Tasche greifen. Der Bund könnte zig Milliarden Euro einnehmen, schätzt das RWI.

In der Koalition zeigt man sich offen für die Idee. Vorbild ist die Versteigerung der UMTS-Mobilfunkfrequenzen, die dem Bund im Jahr 2000 rund 50 Milliarden Euro einbrachte. Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) sprach von einem "interessanten Vorschlag, der eine ernsthafte Prüfung verdient”.

Die Koalition will, dass die Kernkraftwerksbetreiber bei einer Laufzeitverlängerung einen Teil der zusätzlichen Gewinne abführen. Das RWI sieht klare Vorteile einer Versteigerung gegenüber einer Verhandlungslösung: Bei einem Verhandlungsergebnis bestehe immer der Verdacht, der Staat habe sich "über den Tisch ziehen lassen". Bei einer Versteigerung würden die Konzerne hingegen das zahlen, was ihnen eine Laufzeitverlängerung tatsächlich wert ist.

Das RWI hat errechnet, dass bei acht Jahren Laufzeitverlängerung eine Atomstrommenge von 1120Terrawattstunden zu versteigern wäre. Der Staat könnte damit nach Einschätzung von Manuel Frondel, RWI-Energieexperte, etwa 45 Milliarden Euro einnehmen. Klar sei, dass die Betriebserlaubnis nur erteilt werde, wenn die strengsten Sicherheitsüberprüfungen bestanden seien.

Opposition und Umweltverbände lehnen die Auktionslösung dennoch ab. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles sprach von "russischem Roulette": Bei Atomlaufzeiten gehe es "um Sicherheit, nicht um das Staatssäckel". Auch Rainer Baake von der Deutschen Umwelthilfe übt Kritik: Hat der Staat erst einmal Geld kassiert, werde der Druck auf Behörden, Reaktoren auch bei Sicherheitsmängeln weiterlaufen zu lassen, erheblich steigen.