Ägyptens Islamisten mobilieren wieder Tausende
Kairo (dpa) - Ägyptens entmachtete Islamisten haben der neuen Übergangsregierung den Kampf angesagt. Am Tag nach deren Vereidigung marschierten tausende Anhänger der Muslimbruderschaft durch die Innenstadt von Kairo.
Sie wollten vor das Regierungsgebäude ziehen, wurden aber von Sicherheitskräften daran gehindert. Es kam zu kleineren Rangeleien. Der Protestzug erreichte schließlich die Universität Kairo auf dem gegenüberliegenden Nil-Ufer. Die Islamisten verlangen die Wiedereinsetzung Mohammed Mursis, der am 3. Juli nach Massenprotesten gegen seine Herrschaft vom Militär gestürzt worden war.
Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton traf in Kairo den Übergangspräsidenten Adli Mansur, seinen Stellvertreter Mohammed ElBaradei und den mächtigen Armeekommandeur, General Abdel Fattah al-Sisi. Es war ihr erster Besuch seit der Absetzung Mursis in Ägypten. Nach Medienberichten verlangte sie, das Land solle zu einem alle Kräfte einbindenden, demokratischen Prozess finden. Außerdem wollte sie zwei Spitzenfunktionäre der Partei Freiheit und Gerechtigkeit treffen, des politischen Arms der Muslimbruderschaft.
Bundesaußenminister Guido Westerwelle erklärte, es müsse alles getan werden, um alle relevanten gesellschaftlichen und politischen Kräfte in den tiefgreifenden Umbruchprozess in Ägypten einzubinden. „Ebenso wichtig ist es, das erschreckende Ausmaß von Gewalt in der politischen Auseinandersetzung durch Dialog und Kooperation über politische Lager hinweg zu stoppen“, hieß es in einer Mitteilung des Auswärtigen Amtes in Berlin.
In Kairo nahm derweil die Übergangsregierung ihre Amtsgeschäfte auf. Das 35-köpfige Kabinett von Ministerpräsident Hasem al-Beblawi soll die Wirtschaft stabilisieren, für Sicherheit sorgen und Neuwahlen in sechs Monaten vorbereiten. „Sicherheit hat oberste Priorität für die Übergangsregierung“, erklärte Innenminister Mohammed Ibrahim laut einem Bericht der Webseite der Tageszeitung „Al-Masry al-Youm“. An die Mursi-Anhänger gewandt sagte er, dass er keine Straßenblockaden und keine Behinderung von Regierungsämtern tolerieren werde. Diesbezügliche Versuche würden auf eine „entschlossene Antwort“ der Sicherheitskräfte treffen.
Übergangspräsident Mansur setzte ein zehnköpfiges Expertenkomitee ein, das die von Mursi stammende Verfassung überarbeiten soll. Die Vorschläge des Komitees werden später einem breiter zusammengesetzten, 50-köpfigen Ausschuss vorgelegt. Der endgültige Text soll durch eine Volksabstimmung gebilligt werden. Ein Sprecher der Muslimbruderschaft kritisierte die neue Regierung als Produkt eines unrechtmäßigen Regimes. Die Organisation will ihre Anhänger so lange demonstrieren lassen, bis Mursi wieder im Amt ist. In einem Protestcamp im Osten von Kairo haben Tausende Mursi-Anhänger ihre Zelte aufgeschlagen.
Bei einem Angriff auf einen Kontrollpunkt der Sicherheitskräfte auf der Halbinsel Sinai wurden acht Menschen verletzt. Extremisten griffen die Stellung in der Grenzstadt Rafah am Gazastreifen in der Nacht zum Mittwoch mit Panzerfäusten an und verschwanden daraufhin. Unter den Verletzten waren sechs Soldaten und zwei Zivilisten, berichteten ägyptische Medien. Seit dem Umsturz haben religiöse Extremisten und kriminelle Banden ihre Aktivitäten im Norden des Sinai verstärkt.