Analyse: Nach 15 Monaten wird in Belgien wieder regiert

Der Sozialist Elio Di Rupo soll einer Koalition aus sechs Parteien vorstehen. Leicht wird es nicht.

Brüssel. Die Weichen sind gestellt: Nach 15 Monaten Regierungskrise wird Belgien künftig von einer Sechs-Parteien-Koalition unter dem wallonischen Sozialisten Elio Di Rupo regiert werden. Die Staatsreform bringt der künftige Premier beschlussreif mit, sie hat die nötige verfassungsändernde Zweidrittel-Mehrheit sicher. Aber der Rest — Wirtschafts- und Sozialpolitik vor allem — ist nicht ohne. Zumal Di Rupo ohne seine Wunsch-Verbündeten, die Grünen, regieren muss — und der Problembär der belgischen Politik, der flämische Separatist Bart De Wever, mit seiner Partei NVA in der Opposition noch unangenehmer werden könnte.

Ende des Monats würde Belgien die Rekordmarke „500 Tage ohne reguläre Regierung” erreichen. Doch noch ist nicht sicher, dass das vermieden werden kann. Erst muss das Bündnis, das die geschäftsführende Mannschaft des Übergangspremiers Yves Leterme ablösen will, die Einzelheiten seines Programms aushandeln.

Immerhin ist klar, wer mitmacht: die Christdemokraten, Sozialisten und Liberalen beider Landesteile, also des wallonischen Südens, wo man Französisch spricht, und des nördlichen Flandern mit seiner Spielart des Niederländischen.

Zwei Parteien, die Di Rupo gern dabei hätte, wurden aus der Koalition herausgedrängt: Die wallonischen und die flämischen Grünen haben zwar die Verfassungsreform mit beschlossen und werden für deren Verabschiedung gebraucht. Ecolo und Groen sind aber wegen ihrer Minderheiten-, Einwanderungs- und Anti-Atom-Politik vor allem den flämischen Liberalen suspekt.

Das wird dem Premier das Geschäft nicht leichter machen. Zwar ist der 60-Jährige ein echter Pragmatiker. Während der zähen Arbeit an einer neuen Regierung ist er immer wieder über den Schatten seiner Sozialistischen Partei gesprungen. Die politischen Grundinstinkte teilt er dennoch eher mit Linken und Grünen als mit den Bürgerlichen, mit denen er jetzt paktiert.

Zu schaffen machen wird ihm die Gegnerschaft De Wevers, der sich selbst als Regierungsanbahner versucht hatte. Die NVA, Sieger der Wahlen vom Juni 2010, hat in den Umfragen bislang nicht darunter gelitten, dass sie in der Opposition bleibt. Sie wird sich kaum mit dem Machtzuwachs für die Regionen zufriedengeben, der im Rahmen der Staatsreform vollzogen wird, und die weitere Abnabelung Flanderns betreiben.